Rezension

Ein Lesehighlight

Eine englische Ehe - Claire Fuller

Eine englische Ehe, 8 Audio-CDs
von Claire Fuller

Bewertet mit 5 Sternen

Kurzmeinung:

Genre: Belletristik

Handlung: Eine Familie, die nach dem Verschwinden von Ehefrau und Mutter nie richtig zur Ruhe gekommen ist. Viele Jahre später keimt ein kleiner Funke Hoffnung auf, dass Ingrid vielleicht doch noch lebt, da Gil glaubt, sie kurz gesehen zu haben. Dies ist der "Startschuss" für zwei sehr interessante und aufeinander gelungen abgestimmte Handlungsstränge.Der eine widmet sich der Gegenwart, wie Gil und die Töchter Nan und Flora auf diese Neuigkeit des möglichen Wiederauftauchens von Ingrid reagieren und wie sie damit umgehen. Der zweite wird kunstvoll in den ersten eingeflochten, der durch Ingrids Briefe an Gil dem Leser / Hörer die ganze Vergangenheit, bis zu ihrem Verschwinden, darstellt und Ingrid und Gils Kennenlernen und Zusammenkommen wiedergibt. An einsamen Tagen und Nächten schreibt sich Ingrid ihren Kummer von der Seele. Die geliebten Bücher Gils bewahren das Geheimnis auf.
Protagonisten: Am besten porträtiert wird Gil, da wir ihn als jungen und älteren Mann vorgestellt bekommen. Ingrids Briefe zeigen einen frischen, verliebten, in die Zukunft schauenden und Pläne schmiedenden Gil, der aber auch egoistisch, hinterhältig, ängstlich, verunsichert, verletzend und gleichgültig sein kann. Als Leserin und Frau mochte ich Gil mit fortlaufender Geschichte immer weniger. Desto mehr und mehr über das Leben bzw. Ehe- und Familienleben von Gil und Ingrid, aus Ingrids Sicht, über die Briefe aufgedeckt wurde, gehörten meine Sympathien ihr. Ingrid schaffte es mein ganzes Mitleid für sie zu vereinnahmen. Die absolut gegensätzlichen Schwestern Nan und Flora sind ebenso interessante Figuren, da sie im Laufe der Geschichte an Stärke und Charakter gewinnen. Claire Fuller hat ein Händchen für ihre Protagonisten bewiesen. Selbst für Gil, für den ich bis kurz vor Ende Verachtung empfand, konnte ich zum Schluss noch was abgewinnen. Nicht nur das, er hatte seine Achtung zurückgewonnen.

Spannung: Obwohl kein Krimi, da es primär nicht um die Aufdeckung von Ingrids Verschwinden geht, baut die Autorin eine subtile Spannung auf, und der Leser / Hörer weiß bis zum Schluss nicht, was mit Ingrid eigentlich passiert ist und ob die geschriebenen Briefe, die die ganze Wahrheit enthalten, jemals von Gil entdeckt und gelesen wurden und ob, insbesondere Flora, die Antworten auf ihre Fragen bekommt. Als Leser / Hörer hat man nie einen Wissensvorsprung, da man durch die Briefe, die sich auf die Vergangenheit beziehen, langsam und chronologisch informiert wird und sich daher einige Überraschungen entfalten, die die Geschichte immer wieder aufwerten.

Stichworte: Verschwinden, England, Briefe, Bücher

Ende: Das Ende finde ich absolut genial! Es konnte mich überzeugen, auch wenn nicht alle Fragen beantwortet wurden. Ein richtiger Kunstgriff ist Claire Fuller mit dem Ende gelungen. Ich konnte mich von den Charakteren auf Augenhöhe verabschieden, da die Geschichte eine schöne Entwicklung nahm und diese mich mit dem einen oder anderen versöhnen konnte. 

Hörbuch: Das Buch ist als Hörbuch sehr empfehlenswert, da es dem Hörer ein paar wunderschöne Stunden der Ablenkung bereiten kann. Beide Sprecher beherrschen ihre jeweilige Rolle meisterhaft. Während Heikko Deutschmann den Handlungsstrang der Gegenwart erzählt, verliert man sich gerne, durch die Stimme von Leslie Malton, in der Vergangenheit, die durch Ingrids Briefe lebendig wird.

Fazit: Eine besondere Geschichte, die beim Hören eine tolle Stimmung entwickelt. Als Leser / Hörer fühlt man sich nie deplaziert, da man quasi fast parallel, an der Entwicklung in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, teilnimmt. Ein Lesehight in 2017!