Rezension

Ein literarisches, philosophisches Kleinod auf den Spuren des Phänomens „Stille“

Stille - Erling Kagge

Stille
von Erling Kagge

Bewertet mit 5 Sternen

Stille lässt sich überall finden – ein literarisches Kleinod, das wunderbar unterhält und zum Nachdenken anregt.

MEINE MEINUNG:

Stille… kann man zu diesem Thema überhaupt ein überzeugendes (Hör)Buch produzieren? Ja, der norwegische Verleger, Autor, Abenteurer und Kosmopolit Erling Kagge kann das! Seine umfangreiche Lebenserfahrung, seine oft von Einsamkeit und eben Stille geprägten Expeditionen und viele sehr persönliche Eindrücke prägen dieses Buch, das er auf der Suche nach dem Phänomen „Stille“ geschrieben hat. Dabei nährt sich Kagge der „Stille“ nicht nur aus einer Richtung, sucht nicht nur die eine, bestimmte Stille, sondern versucht sich vielmehr damit auseinanderzusetzen, wie und wo man Stille erfahren kann. Sei es die allumfassende Stille auf seiner Expedition in die ewigen Weiten der Antarktis (und zugleich zu sich selbst), ganz allein und tausende von Meilen von „Allem“ entfernt. Oder aber auch die Stille, die jeder in uns trägt und finden kann – zu jeder Zeit und an jedem Ort.

 

Die zahlreichen persönlichen Geschichten und Eindrücke, die Kagge in diesem Buch mit seinen Lesern teilt, sind für mich die große Stärke dieses Werkes. Viele davon haben eine metaphorische Botschaft, viele Gedankengänge kann man auf andere Situationen und Lebensumstände übertragen. Manchmal sind es traurige, manchmal erstaunliche und zumeist überraschende Geschichten, die uns die Gedankenwelt Kagges und damit auch das Phänomen „Stille“ näher bringen. Dazu zitiert Kagge auch viele internationale Studien, die sich rund um dieses Phänomen ranken – auch wenn man den Bezug nicht immer sofort durchblickt. Wer würde beispielsweise erwarten, dass viele Probanden einer Studie sich selbst lieber schmerzhafte Stromstöße zufügen als mit ihrer Stille allein gelassen zu werden? Denn „Stille“ heißt nicht nur Stille zu finden, sondern auch Stille aushalten zu können, mit sich selbst im Reinen zu sein. Anders als in der japanischen Konversation ist es z.B. für uns Europäer  schwer, eine längere Pause – also Stille - in einem Gespräch auszuhalten.

 

Neben vielen, teilweise schon sehr philosophischen Gedankengängen weiß Kagge aber auch Unterhaltsames zu berichten (z.B. dass die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen kürzer ist als die eines Goldfischs!) oder auch kleine Tipps für den Alltag zu geben, z.B. Gedanken, die einem immer wieder durch den Kopf gehen, einfach auf einen Zettel aufzuschreiben, um sie (zumindest für eine Zeit) aus dem Kopf zu bekommen.

 

„Stille“ ist ein Werk, das unterhält und zugleich zum Nachdenken anregt. Es weckt Lust aufs Reisen, auf die Natur, darauf, Zeit mit sich selbst zu verbringen und auf die Stille an sich.

 

ZUR HÖRBUCHPRODUKTION:

Schauspieler und Sprecher Wolfgang Berger verleiht Erling Kagge seine Stimme und trägt sein Werk sehr passend vor. Betont, behutsam und stets im passenden Tempo und mit angemessenen Pausen. Hier ist nichts aufgeregt, gehetzt oder gar übertrieben. Es war eine Freude, ihm ganz entspannt zuzuhören und das Thema zu genießen.

 

FAZIT:

Stille lässt sich überall finden – ein literarisches Kleinod, das wunderbar unterhält und zum Nachdenken anregt.