Rezension

Ein Mann treibt durch Wien

Wer hier schlief - Isabella Straub

Wer hier schlief
von Isabella Straub

Bewertet mit 3 Sternen

Philipp Kuhn lebt ein sicheres, langweiliges und unterfordertes Leben. Dann entschließt er sich dazu, seine Frau und Chefin (und damit auch seinen Job) zu verlassen und mit seiner Äffare ein neues Leben zu beginnen. Doch obwohl Myriam zuvor sogar noch mit Kuhn sein Trennungsgespräch geprobt hat, verschwindet sie währenddessen spurlos und Kuhn steht vor dem Nichts. In Myriams Wohnung wohnt plötzlich jemand anderes und außer einem Bild (das Portrait eines Mannes mit Turban), seinem Handy und seiner Brieftasche hat Kuhn nichts von seinem alten Leben. Seine Mutter hat einen jungen Untermieter und kann ihn nicht aufnehmen, die Schwester wohnt in Amerika und Freunde empfangen ihn auch nicht mit offenen Armen.

Und so lässt Kuhn sich durch Wien treiben. Schläft mal im Fitness-Studio, mal bei einer Gruppe SUHOs (SUddenly HOmeless), denen er mit eher mäßiger Begeisterung bei Renovierungsarbeiten und Lebensmittelbeschaffungsmaßnahmen hilft, mal bei einem älteren Mann, den er in einem Hotel bei seiner Suche nach Myriam kennengelernt hat.

Der Roman 'Wer hier schlief' von Isabella Straub wird beschrieben als 'moderne Odyssee' und das ist er auch. Kuhn lässt sich treiben in einer Situation, die für die meisten von uns wohl der Horror schlechthin wäre - ohne Job, ohne Heim, ohne Perspektive und von dem einem Menschen, auf den man gezählt hat, verlassen. Trotzdem hat der Roman eine gewisse Leichtigkeit und einen unterschwelligen Humor. Kuhn meistert das ganze eigentlich relativ locker und unbeschwert und der Leser darf sich über seine Zufallsbekanntschaften und Missgeschicke sogar ein wenig amüsieren.

Schwingt in Straubs Roman ein bisschen Gesellschaftskritik mit? Hat sie in den fast schon meditativen Schilderungen Symbole versteckt, deren Bedeutung alles andere als offensichtlich ist? Fakt ist, eine richtige Auflösung, ein richtiges Ende hat der Roman nicht. Er ist ein Ausschnitt. Das lässt den Leser vielleicht zum Schluss ratlos zurück. Andererseits schwingt das Gelesene noch nach und regt zum Nachdenken, gar zum Philosophieren an. Die Sprache ist flüssig und angenehm, nicht zu verschwurbelt und trotzdem mit einem gewissen Niveau. Ich weiß nur nicht, wem ich dieses Buch zum Lesen empfehlen soll. Wien-Fans? Arbeitstiere, die abschalten müssen? Da ich die Aussage und den Sinn des Buches nicht ganz fassen kann, kann ich auch das nicht beurteilen und das ist etwas, das mich an diesem Buch ein wenig stört.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 21. Oktober 2017 um 08:32

Aaalso - wenn man den Sinn eines Romans nicht erkennt - ist das weniger als drei Sterne wert, das ist man sicher! Ich versteh auch nicht, wie ein gutbürgerliches Leben von einem Tag zum anderen zerbrechen kann. Man hat doch ein Bankkonto und etwa Erspartes. Normalerweise. Was wurde aus Myriam? Dann lässt einen der Ehepartner normalerweise finanziell auch nicht so fallen. Dann gibt es so was wie soziale Absicherung. Im Notfall muss der Ehepartner, der gut situiert ist, für einen aufkommen. Klingt mindestens unausgegoren, die Ausgangssituation. Man könnte auf Wohnungssuche gehen ... z.B.