Rezension

Ein modernes Amateurporno-Märchen

Royal Passion
von Geneva Lee

Bewertet mit 2.5 Sternen

Vorsicht: Der Klappentext sagt Disney, doch der Inhalt schreit Porno (und meint keinen besonders guten, sondern eher die homemade Amateur-Version von kreativen Köpfen, denen nicht klar ist, dass es das alles schon tausendmal gegeben hat).

Man munkelt, hier sei gewissermaßen Abstauberei des schon recht verblassten Sensationserfolges „Shades of Grey“ betrieben worden. Das würde ich gern bestätigen, jedoch kam ich mit angewiderten Blick und gerümpfter Nase damals nicht über die ersten zehn Seiten des ersten Bandes hinaus. Ich bin nicht konservativ oder prüde, aber eben auch nicht sexuell frustriert oder hatte jemals das Bedürfnis, die Reihe wirklich zu lesen. Der Schreibstil war einfach bäh. Genug dazu:
Inwiefern sich also die Handlungen und Inhalte ähneln, kann ich gar nicht sagen. Sowieso würde ich absichtlich niemals spoilern.

Trotzdem stelle ich fest: Auch Royal Passion funktioniert nicht wegen literarisch-künstlerischer Leistung oder irgendwelcher komplizierten Rhetorik. Die Sache funktioniert, eigentlich sogar recht gut, weil primitive Unterhaltungsmechanismen eingesetzt werden. Sex, heimlicher Sex, sexuelle Fantasien, der Allerweltstraum junger (?) Frauen, Erwählte eines Prinzen zu sein; bewusste oder unbewusste, aber traditionell eingeprägte Rollenbilder, habe ich schon Sex erwähnt? Ach ja, und die wichtigsten Zutaten einer typischen Telenovela: Intrigen und große Liebe mit Hindernissen.
Heutzutage sind Sado-Maso-Beziehungen in Romanen längst kein Tabu mehr, ansonsten hätte das Buch bestimmt noch erfolgreicher verkauft werden können. Die Leute lieben Tabus und wagen sich gern an angetastete Grenzen heran, um sie letztlich freudestrahlend zum Einsturz zu bringen – das finde ich übrigens großartig. Die Wirkung bleibt aus, wenn es all das schon einmal gegeben hat (unsere Gesellschaft hat manchmal die Aufmerksamkeitsspanne eines kleinen Babys).

Geneva Lee schafft es dank oben genannter Komponenten definitiv, zu unterhalten; wie ein primitiver Traum, den man hin und wieder mal hat: ein absurder, kaum realistischer, unterdrückte Sehnsüchte enthüllender Traum, von dem man am nächsten Tag (wenn man sich denn an ihn erinnern kann) denkt: Was war das schon wieder für ein Blödsinn?
Auch das ist meiner Meinung nach eine vollkommen legitime Technik; wenn man so simpel schreibt, dass genau dieser Eindruck erweckt wird. Das sind dann Bestseller für besonders anspruchslose Leser, oder eben ambitionierte Leser, die eine Pause von ihrem literarischen Anspruch brauchen. Das heißt ja nicht, dass die Autorin nichts von dem versteht, was sie tut. Wahrscheinlich tut sie das umso besser.

Um nun auf den Klappentext zurückzukommen: Im Nachhinein ist klar, inwiefern sich zwischen den Zeilen Hinweise auf einen Erotikroman herauslesen lassen. Natürlich weiß man das auch, wenn man diesen in der Buchhandlung oder online in einer entsprechenden Abteilung oder Rubrik eingeordnet findet. Ich jedoch habe es im Rahmen einer Leserunde erstanden, kannte nur den Klappentext und habe auch nicht näher recherchiert. Unter diesen Umständen kann ich jede andere Leserin verstehen, die schließlich einen halben Herzkasper bei der Lektüre erlitten hat. Was für eine Überraschung! Ich für meinen Teil fand es zum Schreien. Also, zum Schreien komisch.

Ebenso die Wortwahl, insbesondere die des Prinzen gegenüber seiner Angebeteten. Er spricht haargenau so, wie die unverschämten Kinder damals in der Schule oder in der Nachbarschaft bei uns im „Ghetto“, die Passanten mit faszinierender Dreistigkeit unverpackte Obszönitäten an den Kopf werfen. Ich ärgere mich immer über sie und meine, solche Worte in dem Alter nie und nimmer gekannt zu haben...
Ich möchte sie nicht ausschreiben, dadurch erscheinen sie mir umso lebhafter.

Jedenfalls: die Sprache! Die Wortwahl an sich ist mir relativ egal, aber sie muss wenigstens abwechslungsreich sein; zumindest sollte ersichtlich sein, dass man sich Mühe gegeben hat, Synonyme zu finden (das mache ja sogar ich die ganze Zeit). Aber nein. Phrasen wie „hier an Ort und Stelle“ oder das Adjektiv „schmallippig“ und so weiter und so fort – sie wiederholen sich. Wenn sie sich wiederholen, dann nicht ungefähr fünfzig Seiten später einmal, sondern auf derselben Seite oder knapp danach und ständig. Und zwar nicht insofern, dass es als gewollt durchgehen könnte.
Noch dazu diese Flüchtigkeitsfehler bei wörtlicher Rede (wann fängt sie an, wann hört sie auf? Wer redet gerade überhaupt?) oder der Rechtschreibung allgemein. Was man vereinzelt gutmütig ignorieren kann, wird gehäuft zu meiner persönlichen Qual.
Das ist sicherlich eine Pingeligkeit von mir, aber für mich kommt es bei der Atmosphäre der Geschichte eben auch darauf an, wie diese technisch aufgebaut wird. Kleinigkeiten sind da manchmal entscheidend.
Ich befürchte, dass die Übersetzer einfach keine Lust oder Zeit hatten, das sprachliche Fundament durchdacht zu festigen. Jedenfalls fühlen sich die Sätze im Durchschnitt wie hingeschmiert an. Aber nicht wie zarte Marmelade, sondern wie Butter, die frisch aus dem Kühlschrank kommt, und wenn man damit sein Brot zu bestreichen versucht, zerreißt man versehentlich die Struktur des eigentlich wunderbar fluffigen Inneren der Scheibe und hat am Ende so einen löcherigen Mist. Verstanden, was ich meine?

Die Figuren sind ein Thema für sich. Ich könnte mich stundenlang darüber auslassen, wie farblos sie sind und welch nach hinten losgegangener Versuch, sie für möglichst viele Menschen greifbar zu machen. Es gibt die gewöhnliche Hauptdarstellerin, Clara, die zwar eine individuelle Vergangenheit vorweisen kann, deren Charakter jedoch, abgesehen von Eigenschaftslosigkeit, keine besondere Eigenschaft innehat. Mir fiele da höchstens ein, dass sie unnötig viel denkt und vergleichsweise wenig tut oder sagt. Und sie denkt immer dieselben banalen Dinge: Wie schön Alexander sei, zum Beispiel. Er ist auch nicht viel besser, aber dank der vorliegenden Erzählperspektive bleibt man immerhin von seinen inneren Monologen verschont. Deswegen spielt er die aktive Rolle, in allen Lebenslagen, auch im Bett (oder wo sie es sonst so tun).
Die Nebenrollen sind ähnlich langweilig. Sie decken die Bedürfnisse einer Geschichte ab: Man braucht eine beste Freundin, da hat man sie. Eine nervige Mutter, da hat man sie. Ebenso eine nervige Schwester, einen abstinenten Vater, eine intrigante Ziege und einen schwulen Freund. Alles Bedarfshüllen, die nur sporadisch mit Hintergrundinformationen gefüllt werden, der Glaubwürdigkeit halber. Es bleiben noch zwei Bände Zeit, das wiedergutzumachen.

Worauf es im Grunde ankommt, ist die Antwort auf folgende Frage: Verleitet mich Royal Passion womöglich dazu, auch den nächsten Teil zu lesen? Unglaublicherweise tut es das tatsächlich.
Meine Güte, ich muss einfach wissen, ob das Potential der grundlegenden Idee ausgeschöpft wird, was ich hoffe. Mein Kopf platzt vor möglichen Szenarien, eines abwegiger als das andere. Ich gebe mich noch nicht zufrieden.

Den ganzen Preis möchte ich dann allerdings doch nicht bezahlen. Sicherlich ergibt sich irgendwann die Gelegenheit, die Fortsetzung als das Mängelexemplar zu erwerben, welches ihr Vorgänger gewesen ist.