Rezension

Ein nervenaufreibendes Spiel mit Realitäten

Der Brief
von Carolin Hagebölling

Bewertet mit 5 Sternen

Marie freut sich, als sie einen Brief erhält von ihrer alten Schulfreundin Christine, zu der sie schon länger keinen Kontakt mehr hatte. Doch bald vergeht ihr die Freude daran, denn der Brief wirft ihre gesamte Lebensrealität über den Haufen - ist er doch adressiert an sie mit einer Pariser Adresse, wo sie jedoch nie gewohnt hatte. Sie versucht, den Unstimmigkeiten nachzugehen, und plötzlich scheint es, als gäbe es sie selbst in einer anderen Realität wieder. Was stimmt denn nun, ihr Leben mit ihrer Freundin Johanna in Hamburg oder ihre Ehe mit Victor in Paris? Die Realitäten scheinen ineinander zu verschwimmen, und nichts scheint mehr eindeutig zu sein. 

Der Klappentext des Buches verspricht in der Überschrift „ein raffiniertes Spiel mit Realitäten“, und das ist auch wirklich nicht zu viel versprochen. Ganz harmlos scheint dieser Brief, der nicht nur Marie, sondern auch den Leser in die Geschichte hineinzieht, wie ein unüberwindlicher Sog. Man findet sich wieder in Realitäten, die doch überhaupt nicht sein können. Und erhält wie Marie Weisheiten um die Ohren geschlagen wie z.B. „Die Realität ist eine Frage der Wahrnehmung, nicht der Wahrheit.“ (S. 51) Die kurzen Kapitel bringen zusätzlichen Drive in die Geschichte, ich habe das Buch tatsächlich in einem Rutsch ausgelesen. Etwas verwirrt hat mich das Ende der Erzählung hinterlassen, da musste ich zweimal darüber nachdenken, bis ich es richtig einordnen konnte. Doch dann musste ich feststellen, dass das Buch mit diesem Schluss konsequent zu Ende gedacht ist. 

Ich habe mich von der Autorin gern auf ein raffiniertes „Was wäre, wenn…“ entführen lassen und empfehle es gerne weiter.