Rezension

Ein neuer schottischer Autor - sehr empfehlenswert!

Sea Detective: Ein Grab in den Wellen - Mark Douglas-Home

Sea Detective: Ein Grab in den Wellen
von Mark Douglas-Home

Neben Peter May gibt es kaum einen schottischen Krimiautor, der die Fähigkeit hat, Gegenwärtiges und Vergangenes, gepaart mit grandiosen Landschaftsbeschreibungen, stimmig in eine spannende Geschichte zu verpacken, weshalb mich auch eine gewisse Wehmut ergriffen hat, als ich „Moorbruch“, dessen abschließenden Band der Lewis-Trilogie (kürzlich in einer ausgezeichneten Übersetzung bei Zsolnay erschienen), beendet hatte.

Glücklicherweise gibt es auch im Krimibereich ein monatliches Ranking, aus dem ich mir regelmäßig Lesetipps hole. Und in der Bestenliste Februar belegt der schottische Newcomer Mark Douglas-Home den neunten Platz mit seinem ersten Cal McGill-Kriminalroman „Sea Detective: Ein Grab in den Wellen“. Neuer Autor, Schottland und ein ungewöhnlicher Protagonist, mein Interesse war geweckt…und ich wurde nicht enttäuscht!
Die Handlung wird durch verschiedene Stränge bestimmt, die ineinandergreifen und sich teilweise überlappen, wobei sowohl Erzählperspektive als auch Handlungsort wechselt.

Das verbindende Element ist der unkonventionelle Protagonist Cal McGill, kein klassischer Polizist/Detective, sondern ein Meeresbiologe und Umweltaktivist. Polizeibekannt durch seine aufsehenerregenden Pflanzaktionen in Politikergärten, mit der er die Öffentlichkeit auf den globalen Klimawandel hinweisen möchte. Und ein Experte, wenn es um Meeresströmungen und an Land gespültes Treibgut geht, dessen Weg er mit Hilfe einer Computersimulation nachverfolgen kann. Eine Fähigkeit, die die Polizei von Edinburgh dringend benötigt, da an der Küste abgetrennte Füße angespült worden sind. Da Detective Helen Jamison bei ihrem Vorgesetzten auf taube Ohren stößt, beschließt sie hinter dessen Rücken McGill um Hilfe zu bitten.

Relativ zeitgleich versteckt sich Basanti, eine indische Jugendliche in unmittelbarere Nähe von McGills Wohnung und sieht bei einem Blick durch dessen Fenster ein Bild ihrer spurlos verschwundenen Freundin Preeti. In Rückblenden erfährt man, dass die beiden Bedia-Mädchen von ihren Familien als Kapital genutzt und für ein Leben als Prostituierte (Dhandewali) erzogen wurden. An Menschenhändler verkauft, gelangten sie nach Großbritannien, wurden von Zuhälter an Zuhälter weitergereicht, und später, wenn diese keine Verwendung mehr für die Mädchen hatten, wie Müll entsorgt. Preeti musste dieses Schicksal erleiden, aber Basanti konnte ihren Peinigern entkommen und muss sich nun vor ihnen verstecken.
Die besondere Note erhält dieser Kriminalroman aber durch einen besonderen Aspekt der Familienhistorie des Protagonisten, dessen Großvater unter ungeklärten Umständen im Zweiten Weltkrieg vor der schottischen Küste ums Leben kam. Um Licht ins Dunkel zu bringen, reist McGill nach Eilean Iasgaich, der (fiktiven) kleinen Fischerinsel an der Westküste. Heimat für seine Familie bis zum Tod des Großvaters. Was ist damals geschehen, und warum begegnen ihm fast alle Inselbewohner  mit unverhohlener Feindseligkeit?

Der sehr gut durchdachte Plot, die Kompetenz in der Vermittlung der ozeanografischen Themen, die detaillierten Charakterisierungen, die gelungene Verknüpfung von Familiengeschichte und aktuellen Vorkommnissen und schlussendlich die Landschaftsbeschreibungen, die die Vorstellungskraft des Lesers befeuern, machen aus diesem Debüt ein unerwartet eindrückliches Leseerlebnis. Sehr empfehlenswert!