Rezension

Ein orientalisches Märchen

Der Meisterkoch - Saygin Ersin

Der Meisterkoch
von Saygin Ersin

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Prise Wunder für die große Liebe

„Hör auf, dich selbst zu bekämpfen. Nimm deinen Erinnerungen die Ketten ab. Befreie sie. Halt inne und denke. Aber ohne dir unrecht zu tun. Denke nicht nur mit deinem Verstand, sondern auch mit deinem Herzen.“

 

Inhalt

 

Der Küchenmeister, dessen Namen kaum noch einer kennt, besitzt eine unzweifelhafte Gabe, die es ihm ermöglicht mit Hilfe seiner Kochkunst Gerichte zu zaubern, die nicht nur vorzüglich schmecken, sondern auch noch einen weit größeren Zweck erfüllen. Er kann Pilaw zaubern, welches Kriege entfesselt rührt Saucen an, die mächtige Männer ans Bett fesselt und wunderschöne Frauen tief beeindruckt. Seit Kindesbeinen an wird er von den besten Köchen Istanbuls angelernt und in einem sind sie sich alle einig – der Junge wird nicht nur ein einfacher Koch, nein er ist ein wahrer „Geschmacksversteher“ und er benötigt eine umfassende Ausbildung, die ihn dazu befähigt, die Geschicke seines Landes auf ganz subtile Weise zu beeinflussen. So lernt er bei Astrologen, Ärzten und Kennern von Aromen und Gewürzen, um auch die letzten Tricks und Kniffe zu beherrschen. Doch als er endlich nach jahrelanger Ausbildung in der Lage ist, seine Mitmenschen durch selbst zubereitetes Essen nach seinem Willen zu lenken, setzt er seine Bestrebungen auf eine einzige Sache: Es muss ihm gelingen seine Angebetete aus den Fängen des Harems zu befreien, um mit ihr ein gemeinsames Leben aufbauen zu können. Als Eigennutz an die Stelle von Weitsicht tritt, wendet sich sein Schicksal nochmals – Geschmacksverstehen kann man nur mit reinem Herzen und ohne Berechnung werden und selbst wenn man schon einer ist, sollte man die Menschen niemals aus den Augen verlieren …

 

Meinung

 

Saygin Ersin, der als Schriftsteller und Drehbuchautor tätig ist, schafft mit diesem Roman ein echtes, beeindruckendes orientalisches Märchen, welches nicht nur die Gerüche, Bilder und Farben des Orients heraufbeschwört, sondern auch eine Botschaft an den Leser vermittelt. Der Text ist weniger historisch inspiriert, als zunächst erwartet, entwickelt sich in seinem Verlauf zu einer Geschichte in der Begriffe wie Mut, Wunschdenken, Eigenverantwortung und Schicksal immer größere Bedeutung erlangen und zeigt auf harmonische, ausgewogene Art und Weise, wie es einem Menschen gelingen kann, nachdem er seine Gefühlswelt analysiert hat, sich mit Einfallsreichtum und Beharrlichkeit an die Realisierung seiner Träume zu wagen.

Der Schreibstil und die Erzählweise erinnern an Geschichten aus 1001 Nacht. Der Leser befindet sich am Palast des Sultans und wird Zeuge von diversen Intrigen, von Machtbesessenheit und Willkür. Auch die Bilder des Harems mit wunderschönen Frauen in zartfließenden Gewändern, aber auch die Maschinerie der Königsküche mit all ihren Hierarchien, die ein ganz eigener, spezieller Ort ist, wird anschaulich dargestellt.

Der Autor setzt sein Augenmerk einerseits auf den Verlauf der Handlung, die Orte wechseln, die Gönner und Feinde des Küchenmeisters werden andere, die Befreiung einer Haremsdame hat oberste Priorität, doch er vergisst auch nicht die charakterliche Formung seines Hauptprotagonisten. Ein zunächst ehrgeiziger, zielstrebiger junger Mann, der durch die Einflüsse seiner Umgebung heranwächst und erkennt, dass er nicht allein dafür verantwortlich ist, ob sein Lebensziel erreichbar bleibt, sondern dass er auf dem Weg auch seine Mitmenschen mit ihren Stärken und Schwächen, ihren Hoffnungen und Abneigungen mit einbeziehen muss, um den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.

Auch die Liebe, die innigen Gefühle für eine Frau stehen hier im Raum, sind erkennbar und stetig vorhanden, doch sie bilden lediglich den Erzählrahmen, es ist kein herkömmlicher Roman über eine zum Unglück verdammte Romanze, es ist vielmehr Gleichnis und Fabel über die Kunst sein Leben im Einklang mit Herz und Verstand zu gestalten und den rechten Weg zu finden, auf dem es Zweifel und Rückschläge gibt aber auch Hoffnung und Zukunft.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen märchenhaften, schillernden, orientalischen Roman über die Liebe zum Kochen, zum guten Geschmack und zu einer zauberhaften Frau, für die es notwendig ist, die Sterne am Himmel neu zu ordnen und das Leben zielstrebig auszurichten. Weder ausgesprochen historisch noch realistisch aber einfach zum Träumen schön.