Rezension

Ein Pageturner - intelligent, fesselnd und raffiniert

Das Gesicht meines Mörders - Sophie Kendrick

Das Gesicht meines Mörders
von Sophie Kendrick

Bewertet mit 5 Sternen

Das Gesicht meines Mörders” von Sophie Kendrick ist ein in sich abgeschlossener Psychothriller und umfasst in der Printversion 320 Seiten. Der Roman ist in 7 Abschnitte unterteilt, die mit einer thematisch passenden Überschrift (wie z. B. “Auslöschung”, “Zweifel”, “Verrat”) versehen sind. Die Protagonistin Clara Winter erzählt die Geschichte in der Ich-Perspektive.

Der Kern der Handlung ist Claras Suche nach ihrer wahren Identität. Nach einem traumatischen Erlebnis ist sie ins Koma gefallen und kann sich seitdem an nichts mehr erinnern. Ihre komplette Vergangenheit ist ausgelöscht, da sie an einer retrograden Amnesie leidet. Gut, jetzt könnte man natürlich denken: “Die Thematik ist doch nicht neu” - “Das kennt man doch schon”. Das mag sein, da sie gern und oft in Psychothrillern verwendet wird. Aber die Autorin hat es geschafft, in ihrem Roman eine neuartige und raffinierte Variante zu konstruieren, die ich so noch nicht kannte.

Die Idee zu diesem Roman bekam Sophie Kendrick bei einem Fernsehbericht über eine Frau, die nach einem Nervenzusammenbruch jede Erinnerung an sich selbst verloren hat. Dabei begriff die Autorin, dass wir ohne unsere Erinnerungen unsere Identität oder besser gesagt die Gewissheit, wer wir eigentlich sind, verlieren. Wir werden uns selbst fremd. Und wenn man mal darüber nachdenkt, ist das auch absolut plausibel. Da der Roman in Berlin spielt, war ihr auch klar, dass das Schicksal ihrer Heldin mit der deutschen Geschichte verknüpft sein würde. Um was es da genau geht, verrate ich natürlich nicht.

Die Vorstellung nicht einmal sein eigenes Spiegelbild zu erkennen, ist natürlich beängstigend. Und die Emotionen, die in so einer Situation entstehen, wie Angst, Panik, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Misstrauen bringt die Autorin auch perfekt rüber. Ich konnte Claras Gefühle vollkommen nachvollziehen und mich total in sie hineinversetzen.

Auch an Spannung fehlt es nicht. Diese wird zum einen durch die Erzählperspektive aufgebaut, da man immer nur so viel weiß wie Clara und zum anderen durch die undurchsichtigen Nebenfiguren. Man wird das Gefühl nicht los, dass jeder von ihnen mehr weiß, als er zugibt. Außerdem erhält Clara immer mehr neue, erschreckende Informationen aus ihrer Vergangenheit, die ebenfalls für neue Spekulationen sorgen. Und obendrein kommen auch noch Stück für Stück die Erinnerungen vom Mordanschlag wieder, die zusätzlich für Zündstoff sorgen und die Gehirntätigkeit zum Explodieren bringen. Ich kann nur sagen die Autorin versteht das Handwerk des psychologischen Verwirrspiels.
Und im Finale lässt die Autorin dann die Bombe platzen und präsentiert eine Auflösung, die man so nicht erwartet hätte.

Fazit: Ein Pageturner - intelligent, fesselnd und raffiniert. Wenn dir die Thriller “Lauf, Jane, Lauf” von Joy Fielding und “Ich.darf.nicht.schlafen” von S.J. Watson gefallen haben, wirst du diese Geschichte auch mögen.