Rezension

Ein Pageturner - spannend, düster & atemberaubend

Cyberworld 1.0: Mind Ripper - Nadine Erdmann

Cyberworld 1.0: Mind Ripper
von Nadine Erdmann

Bewertet mit 5 Sternen

In ihrer Buchreihe CyberWorld versetzt Nadine Erdmann uns in die Londoner Zukunft. Um genau zu sein, ins Jahr 2038. Die Technologie ist schon weit vorgeschritten und es gibt mittlerweile eine virtuelle Parallelwelt, die man als Avatar betreten kann. Eine sogenannte CyberWorld. Dort gibt es alles, was das Herz begehrt. CyberClubs mit den unterschiedlichsten Musikrichtungen, Fanklubs zu den neuesten Blockbustern, TV-Serien, Büchern, Sportarten und natürlich auch CyberGames. Spiele, die man heutzutage noch mit Controllern oder der Mouse steuert, betritt man nun als virtuelle Kunstfigur und kann diese irrealen Abenteuer am eigenen Leibe erfahren. Klingt irgendwie spannend und unheimlich zugleich? Ja, das ist es auch.

Denn in dem ersten in sich abgeschlossenen Band „Mind Ripper“, der aus 26 Kapiteln besteht, fallen drei Jungen während ihres Aufenthalts in der CyberWorld ins Koma. Die Körper sind zwar unversehrt, aber ihr Bewusstsein ist verschwunden. Da die Protagonisten Jemma, ihr Zwillingsbruder Jamie und dessen Freund Zack ebenfalls viel Zeit in der virtuellen Welt verbringen, stellen sie sich natürlich die Frage: Was ist da passiert? Liegt es an einem Defekt? Oder ist es sogar ein hinterhältiger Anschlag eines Hackers? Steckt vielleicht noch mehr dahinter - wie eine Erpressung? Fragen über Fragen, die die Drei beantwortet haben möchten und sich somit auf die Spuren des ominösen Mind Rippers begeben.

Von der Idee des Plots bin ich, als bekennende Gamerin, natürlich absolut begeistert. Denn seien wir mal ehrlich, es hat bestimmt jeder Rollenspielfanatiker schon mal davon geträumt, selbst Teil seines Lieblingsspiels zu sein. Und hier in diesem Roman hat man nun ein wenig die Möglichkeit diesen Traum zu erleben. Wer aber jetzt glaubt, dass es sich bei dieser Geschichte zur um ein actionreiches Cyberabenteuer handelt, der täuscht sich gewaltig. Denn Nadine Erdmann hat hier eine Mischung aus gesellschaftlicher Wirklichkeit, mystischer Virtualität und fesselndem Nervenkitzel erschaffen, die unterhaltsam aber auch tiefgründig zugleich ist. So behandelt dieser Roman neben den Themen Freundschaft, Liebe, Solidarität, Eifersucht, Selbstzweifel auch etwas delikatere Themen wie Seelenschmerz, Homosexualität, Behinderung, Krankheit und Tod. Insgesamt befasst sich der Roman mit verschiedenen ethischen Fragen. Aber besonders mit der Frage: Wie weit würdest du gehen, um einen geliebten Menschen zu retten?

Das klingt im ersten Moment nach schwerer, deprimierender Kost. Aber ich kann dich beruhigen. Die Geschichte ist alles andere als schwermütig. Sie ist vielmehr eine mitreißende, abwechslungsreiche Komposition, die durch ihre Authentizität, Lebendigkeit und bildgewaltige Sprache überzeugt. Besonders bei den Szenen im Cybergame kommen diese Stärken zur Geltung. Ich kann nur sagen, es spielte sich ein großartiges Kopfkino ab.

Doch nicht nur die Atmosphäre ist beeindruckend, auch das Verwirrspiel ist der Autorin sehr gut gelungen. Von Anfang an habe ich mitgerätselt, meine Theorien aufgestellt und lag mit meinen Ansätzen teilweise gar nicht mal so falsch. Dennoch hat die Autorin es immer wieder geschafft, mich mit unvorhersehbaren Elementen zu überraschen. Besonders der Showdown hatte es in sich. Um es mal ganz salopp auszudrücken - ich war platt! Mit dieser Auflösung hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Zudem löste dieses Finale ein Gefühlschaos aus, das ich so noch nicht erlebt habe. Einerseits war ich geschockt und aufgebracht. Andererseits hatte ich Mitleid und Verständnis. Letztendlich hat aber meine Empathie gesiegt.

Ich bin vom CyberWorld-Virus infiziert und werde diese Reihe definitiv weiterlesen.

Fazit: Ein Pageturner - spannend, düster & atemberaubend. Ein geniales und gar nicht so abwegiges Zukunftsszenario, das jedes Gamerherz höherschlagen lässt. Wer schon „Erebos“ von Ursula Poznanski gemocht hat, wird auch von diesem Roman begeistert sein.