Rezension

Ein ruhiger Roman, typisch japanisch

Liebe am Papierrand - Yoko Ogawa

Liebe am Papierrand
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 4 Sternen

Eine junge Frau, Mitte 20, wird von ihrem Ehemann verlassen und leidet seither an einem rätselhaften, tinnitusähnlichen Ohrenleiden. In einer Gesprächsrunde lernt sie einen Stenographen kennen, dessen Finger sie faszinieren. Auf ihre Bitte hin schreibt er in allabendlichen Gesprächen ihre Erinnerungen auf, wobei das Reden mit ihm ihre kranken Ohren zu heilen scheint.

Die gesamte Geschichte verläuft ohne große Handlung. Im Mittelpunkt stehen die Ich-Erzählerin und der Stenograph Y, genau genommen eigentlich ihre Ohren und seine Finger. Beide bleiben anonym und werden auch äußerlich kaum beschrieben. Das hebt gut die Einsamkeit und Leere im Leben der jungen Frau hervor und nährt bei mir die Vermutung, dass sie Y vielleicht nur erfunden hat. So wie Y und die Liebesgeschichte zwischen ihm und der Frau Rätsel aufgeben, bleibt auch dem Leser überlassen zu unterscheiden zwischen realen Ereignissen, Träumen, Illusionen. Das macht das Faszinierende an diesem Roman aus. Der Schreibstil ist ruhig, die Sprache klar.

Ein ungewöhnlicher Roman, der mir gerade deshalb gefällt.