Rezension

Ein ruhiger Thriller, der zwar spannend ist, mich aber nicht vollständig fesseln konnte

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
von Paula Hawkins

Bewertet mit 3 Sternen

Diese Rezension erschien ursprünglich auf kopf.kino

 

// Was passiert //

Rachel fährt jeden Morgen mit dem Zug zur Arbeit. Und jeden Morgen bleibt die Bahn an einer gleichen Stelle an einer Ampel stehen, direkt an einer Reihenhaussiedlung. Mit der Zeit 'lernt' die junge Frau so die Bewohner kennen, allen voran 'Jess' und 'Jason', wie sie das Pärchen nennt, denkt sich Lebensgeschichten für sie aus und stellt sich vor, wie sie leben. Doch eines Tages verschwindet Megan, wie 'Jess' wirklich heißt, spurlos und Rachel könnte die einzige Person sein, die etwas Licht in die Ermittlung bringen könnte. Würde ihr denn jemand glauben...

 

// Was ich denke//

The Girl on the Train beginnt relativ ruhig: Rachel fährt jeden Morgen mit der Bahn in die Stadt zur Arbeit. Dabei beobachtet sie die Häuser und Menschen, die an ihr vorbei ziehen und denkt sich sogar Geschichten über sie aus. Ich gebe zu, das mache ich - als Pendler - auch. Okay, nicht in diesem Maße, aber manchmal frage ich mich schon, was der Anzug-Typ mir gegenüber wohl beruflich macht oder überlege, wie lange die Frau, die mir tagtäglich in der S-Bahn begegnet, zum Schminken braucht. Das ist aus meiner Sicht vollkommen normal. Selbst Rachels Obsession mit Jess und Jason fand ich nicht krank, eher amüsant.
Allerdings stellt sich schnell heraus, dass Rachel und ihr Leben keinesfalls normal sind. Denn die junge Frau ist bereits seit Monaten arbeitslos, nimmt aber dennoch jeden Morgen den Zug, um ihrer Mitbewohnerin vorzugaukeln, alles wäre beim Alten und sich dann an verschiedenen Orten zu betrinken. Sie ist Alkoholikerin. Und zudem immer noch nicht über die Trennung von ihrem Ex-Mann hinweg, der seit mittlerweile zwei Jahren eine neue Freundin bzw. Frau hat.

Der Charakter Rachel hat in mir sehr zwiespältige Gefühle hervor gerufen. Auf der einen Seite hatte ich wirklich Mitleid mit ihr, aber dann haute sie so Sachen raus, über die ich nur den Kopf schütteln konnte. Ich konnte vollkommen nachvollziehen, warum ihr Ex-Mann nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte und dessen neue Frau Angst vor ihr hatte. Nächtlicher Telefonterror war da noch das Harmloseste. Ich muss sagen, so richtig anfreunden konnte ich mich mit Rachel nicht. Vielleicht lag es an diesen Extremen an Gefühlen, die sie bei mir ausgelöst hat... vermutlich ist es einfacher, Charaktere zu mögen, wenn sie klarer sind.
Leider wurde ich auch mit den anderen Protagonisten nicht so richtig warm. Bei ihnen war ich zwar nicht hin und her gerissen, aber sie haben auch nichts in mir angestoßen bzw. angesprochen. Auch wenn ihr die Beweggründe von Tom (Rachels Ex-Mann), Anna (seine neue Frau), Scott ('Jason') und Megan ('Jess') zumeist nachvollziehen konnte, waren sie mir weitestgehend einfach egal.

Das klingt jetzt alles ziemlich negativ und ich gebe zu, ich habe nach den ersten zehn, zwanzig Seiten kurzzeitig überlegt, das Buch weg zu legen. Aber ich bin niemand, der so schnell aufgibt, man weiß ja nie, was einen noch erwartet. Gerade vom Anfang sollte man sich ja nicht abschrecken lassen... und den fand ich bei The Girl on the Train, ja, wie fand ich ihn? Nicht wirklich langweilig, aber auch nicht gerade gerade fesselnd. Die ganze Geschichte ist sehr ruhig, was mir zu Beginn ein paar Schwierigkeiten gemacht hat, doch mit der Zeit wurde meine Neugier doch geweckt. Denn so richtig losgehen tut die Geschichte erst, als Megan spurlos verschwindet. Rachel fühlt sich irgendwie involviert, hat sie 'Jess' und 'Jason' doch schon so lange 'gekannt' und bereits vorher den Verdacht, dass 'Jess' eine Affaire hat. Nur doof, dass ihr keiner glaubt. Was allerdings auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass sie fast durchgehend betrunken ist.

Und es gibt noch ein Mysterium, das es zu klären gibt: was passierte mit Rachel in der Nacht, als Megan verschwand? Sie hat keine Erinnerung daran, ist am nächsten Morgen blutverschmiert aufgewacht und war anscheinend auch in der Gegend, wo Megan und auch Tom wohnen. Und ich muss sagen, auch wenn mir der Rest nicht so ganz gefallen hat, so fand ich das Buch doch spannend. Es hat mich zwar nicht vollkommen in den Bann ziehen können, aber abbrechen wollte ich es auch nicht mehr ;)
Positiv fand ich auf jeden Fall auch, dass der Leser immer nur genauso viel wusste wie die Protagonisten. So kann man miträseln, seine eigenen Theorien aufstellen, die am Ende dann wieder komplett verworfen werden können. Ich mag einfach Bücher, in die man sich so reinsteigern kann. So fangen mich dann auch Geschichten, die mir ansonsten nicht ganz so gefallen. 

// Schlusswort //

The Girl on the Train ist ein durchaus spannender Thriller, der mit einer reichlich kaputten Protagonistin daher kommt und dem Leser gleich zwei Rätsel aufgibt. Auch wenn ich mit den Charakteren so meine Probleme hatte, so konnte ich die Geschichte letztendlich doch genießen und musste sie zu Ende lesen. Für Fans von eher leisen Psycho-Thrillern kann ich eine totale Empfehlung aussprechen.