Rezension

Ein sehr deutscher irischer Krimi

Lügenmauer - Barbara Bierach

Lügenmauer
von Barbara Bierach

Bewertet mit 4 Sternen

Und wieder einmal ein Buch mit irreführendem Klappentext: "Die Spur führt in ein Kloster, in dem in den 60er Jahren junge Mütter ihre unehelichen Kinder zur Welt brachten. Was aber passierte mit den Kindern? Emmas Fragen treffen nur auf eisiges Schweigen."

Tja, nur leider spielt dieses Heim für ledige Mütter in den Ermittlungen von Inspector Emma Vaughan überhaupt keine Rolle – sie weiß bis zum Ende des Buches nicht einmal, dass es existiert – also kann sie auch keine Fragen dazu stellen! Ich hatte mir nach dem Klappentext ein ganz anderes Buch vorgestellt, aber glücklicherweise hat es mir trotzdem gefallen, gerade weil es nicht diesem Klischee entsprach.

Emma muss den Mord an dem pensionierten Reverend  Fitzpatrick aufklären. Ein protestantischer Pfarrer im katholischen Irland, der noch dazu für die britische Armee gearbeitet hat, muss doch Feinde gehabt haben. Steckt vielleicht gar die IRA dahinter? Oder doch ganz einfach ein eifersüchtiger Ehemann, da der Reverend für seine Frauengeschichten bekannt war? Während Emma in diese Richtungen ermittelt, sieht sich in England eine Altenpflegerin mit der Vergangenheit einer dementen alten Dame konfrontiert…

Emma Vaughan als Ermittlerin gefällt mir. Sie hat eine schwierige Ehe hinter sich, deren Auswirkungen sie immer noch körperlich spürt, nämlich in Form von starken Schmerzen durch einen Unfall, die sie mit immer höheren Dosen Schmerztabletten zu bekämpfen versucht. Sie hat das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn, aber ihr Ex-Mann hat das Wohlwollen der Leute um ihn herum, denn nur Emma und er kennen die Wahrheit über ihre Ehe. Emma ist Protestantin wie der ermordete Reverend, will aber mit jeder Form von Religion nichts zu tun haben, was in Irland nicht möglich ist. Ihren Kollegen,  Sergeant James Quinn, findet sie manchmal zu nett und zu charmant für einen Polizisten, aber eigentlich tut er ihr auch ganz gut in ihrem chaotischen Leben. Die beiden bilden ein interessantes Team und die Autorin hat sich viel Spielraum für eine eventuelle Fortsetzung als Serie mit diesem Duo gelassen.

Jetzt kommt meine Kritik: man merkt, dass das Buch von einer deutschen Autorin geschrieben wurde; es ist teilweise einfach zu belehrend und schulmeisterlich, vor allem wenn es um die Geschichte, Kultur und Landschaft Irlands geht. Was ich auch sehr merkwürdig finde, ist, dass Emma angeblich nichts von Religion wissen will, aber auf fast jeder Seite kommen ihre Überlegungen zu katholisch/protestantisch vor. Selbst in den Krimis von Adrian McKinty, der seinen Detective Sean Duffy Anfang der 80er Jahre in Nordirland ermitteln lässt, spielt das keine so große Rolle wie hier im Jahr 2016. Obwohl die Handlung interessant war, hat es mich irgendwann etwas genervt.

Emma denkt und handelt insgesamt zu deutsch, dadurch hat mich das Buch beim Lesen trotz aller Landschaftsbeschreibungen nicht nach Irland versetzt, so wie das zum Beispiel bei McKintys Büchern der Fall ist, aber von der Handlung her hat mir das Buch gut gefallen, wenn auch nicht so sehr als "Irland-Krimi".

Kommentare

Nuigurumi kommentierte am 13. Juli 2016 um 16:33

Das Buch spielt natürlich im Jahr 2005, nicht im Jahr 2016! Aber da war es schon zu spät, die Rezension noch zu ändern...

Fornika kommentierte am 17. Juli 2016 um 10:56

Witzig, dass du auch an McKinty denken musstest. Ich stimme dir absolut zu, obwohl er die Troubles "live" darstellt, ist die Religion ein viel unwichtigeres Thema und nicht so gewollt auf dem Präsentierteller. Schöne Rezension!