Rezension

ein Sog aus fesselnder Stimmung und Überraschungen - nichts für Wasserphobiker

Drowning - Tödliches Element - Rachel Ward

Drowning - Tödliches Element
von Rachel Ward

Zitat:
„Aber wer bin ich? Und wer war mein Bruder? Mochte ich ihn? Mochte er mich? Nicht, wenn die Erinnerung auf der Treppe stimmt.
Ich denke an das, was man mir erzählt hat. „Dein Bruder ist tot. Es gab einen Unfall. Er ist ertrunken.“ Wieso spüre ich nichts? Ich muss doch ein Monster sein, wenn ich keine Trauer empfinde.“
(S. 26)

„Woher weiß man, ob man gerade verrückt wird? Sieht man dann anders aus? Kann man es in den eigenen Augen sehen?“
(S. 59)

Inhalt:
Carls Bruder Rob ist ertrunken. Das hat man Carl erzählt. Er war gemeinsam mit ihm und dessen Freundin Neisha am See.
Doch was wirklich geschehen ist, weiß Carl nicht mehr. Seine Erinnerungen sind wie ausgelöscht, kehren nur sehr zögerlich wieder.
Warum hat Neisha panische Angst vor ihm?
Warum hört er Stimmen? Die Stimme seines toten Bruders? Warum kann er ihn immer wieder sehen?
Wird Carl verrückt?

Meinung:
Der Klappentext konnte mich bereits beim ersten Lesen so fesseln und neugierig machen, dass „Drowning“ sofort auf der Wunschliste landete.
Als ich es dann in den Händen halten durfte, konnte ich natürlich nicht lange warten.

Auf die erste Besonderheit dieses Buches trifft man bereits im Vorwort der Autorin, das eine Warnung vor dem Lesen enthält, sollte man beispielsweise jemanden durch Ertrinken verloren haben.

Der Prolog machte nicht minder neugierig, ich war für einen kurzen Moment Teil von Carl und erlebte eine kurze Episode aus seinem Leben. Was danach geschah, erzählt der Protagonist Carl dann (in Ich-Perspektive/Präsens) ab dem ersten Kapitel. 
Wie er aus dem Krankenhaus zu seiner Alkoholiker-Mutter zurückkehrt, mit keiner einzigen Erinnerung, weder an sich selbst noch an alles andere. Aber mit einer Stimme in seinem Kopf.
Bruchstückhafte Erinnerungen kehren wieder, als er auf Bekanntes trifft. Sinnlose Besäufnisse mit seinem verstorbenen Bruder Rob, Gewalttätigkeiten von diesem oder der gemeinsamen Mutter. Immer häufiger überfallen ihn solche Erinnerungsfetzen, immer öfter hört er diese Stimme und sieht nun auch die Leiche seines Bruders.

Von Anfang an war ich fasziniert von Carls Schicksal und seiner Erzählweise. Er hat keinerlei Erinnerungen an seine Vergangenheit, wäre lieber im Krankenhaus geblieben, als mit „dieser Frau“, die man ihm als Mutter vorgestellt hat, nach Hause zu fahren. Mit dieser gewalttätigen Person, die zuhause, einem heruntergekommenen, lieblosen Ort, ihren Kummer erst einmal in Alkohol ertränken muss.
Seine Gedanken, nicht dorthin zu gehören, in ein fremdes Leben geworfen worden zu sein, schockierten und berührten mich gleichermaßen. Carls Entwicklung ist im Laufe der Geschichte deutlich bemerkbar. Zu Beginn war er verstört, der Schock wirkte nach, er hatte nur frakturierte Erinnerungen an sein altes Leben.
Stück für Stück holt ihn sein Leben ein. Er ist ein Dieb aus einer heruntergekommenen Familie oder noch schlimmeres. Robs Handy, das Foto dieses Mädchens, Neisha, ist ein kleiner Halt für ihn geworden. Das Mädchen, das panische Angst vor ihm hat.

Als wäre sein Leben nicht schon schlimm genug, kommt nun die panische Angst vor Wasser hinzu. Wasser, das für das Überleben absolut unerlässlich ist. Wasser, das man trinkt, mit dem man sich wäscht, das vom Himmel herabregnet. Plötzlich bedeutet all das eine große Gefahr für Carl. Denn Rob ist im Wasser gestorben.

Über die anderen Charaktere erzähle ich lieber nichts, denn ihre Geheimnisse und ihre Vergangenheit, ihren Anteil an der Geschichte, die zu dieser Kette von Ereignissen führte, müsst ihr selbst kennenlernen.

Rachel Ward hat mich vom ersten Moment an in die Geschichte gezogen und mich nicht mehr losgelassen. Zu dem einfachen Schreibstil, der einen schier atemlos durch die Seiten rasen lässt, kommt die kontinuierlich vorhandene Faszination an Carls Leben. Die Frage, nach dem, was passiert ist wird schnell durch die ersetzt, was jetzt mit Carl passiert. 
Zu der nüchternen Erzählweise kommt die Besonderheit der zurückkehrenden Erinnerungen. Mitten im Fließtext, ohne jegliche Kennzeichnung, was auch mich als Leser glauben ließ, verrückt zu werden. Realität und Erinnerungen verschmelzen und lassen stets einen Zweifel, ob das „Gesehene“ wirklich echt war.
Die Autorin hat auf diese Weise durchweg vorhandene Spannung eingebaut, die einen zwingt, im Buch zu bleiben und weiterzulesen, bevor „Schlimmeres“ geschieht. Die Angst, etwas zu verpassen, war stets gegenwärtig, stieg kontinuierlich mit Carls Angst. 
Spätestens im Showdown vergaß ich das ein oder andere Mal, zu atmen, fieberte und zitterte mit und um Carl, ehe ich gegen Ende des Buches wieder ruhiger atmen konnte. 
Aber noch ist „Drowning“ nicht zu Ende – Frau Ward schreibt bereits an der Fortsetzung.

Urteil:
„Drowning“ ist ganz anders, als alles, was ich bisher gelesen habe. Man kann nicht wirklich erzählen, was passiert, ohne dass man zu viel preisgibt. Aber das Faszinierende an dem Buch ist auch die fesselnde Stimmung und das Spiel damit, nicht zu wissen, was passiert. Dazu ein rasanter Schreibstil, der es einem beinahe unmöglich macht, Rachel Wards Geschichte zur Seite zu legen. Knappe 5 Bücher für „Drowning“.

Ein Muss für Spannungsliebhaber und Fans „anderer“ Geschichten, die sich gerne mitreißen lassen und keine Angst davor haben, in dem Buch zu versinken…

Die Serie:
1. Drowning – Tödliches Element
2. ?

©his-and-her-books.blogspot.de