Rezension

Ein spannendes Buch - bis zur letzten Seite

Die geliehene Schuld - Claire Winter

Die geliehene Schuld
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Im Berlin der Nachkriegszeit versucht die junge Journalisten Vera Lessing sich wieder in ihrem Leben einzurichten. Durch den Krieg hat sie sowohl ihre Eltern als auch ihren Mann verloren. Nun möchte sie die Vergangenheit hinter sich lassen und nach vorne schauen. Doch als Veras Jugendfreund und Kollege Jonathan bei einem mysteriösen Unfall ums Leben kommt, stellt sie Nachforschungen über seine letzte Recherche an und stößt dabei auf einen Skandal von weltpolitischem Ausmaß.

Auf einer offiziellen Veranstaltung in Bonn lernt der Berliner Journalist Jonathan die junge Sekretärin Marie kennen. Trotz ihrer wohnlichen Distanz entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung. Durch einen Zeitungsartikel wird Marie auf die Wilhelmstraßen Prozesse aufmerksam. Da auch ihr Vater, 1944 in Russland gefallen, für das Reichssicherheitshauptamt tätig war, beginnt Marie sich zu fragen, welche Rolle ihr Vater im 3. Reich gespielt hat und stellt dazu Nachforschungen an. Sie bittet auch Jonathan um Hilfe. Er nutzt dafür seine Kontakte zum britischen Geheimdienst. Maries Familie schweigt zu all ihren Fragen und versucht ihr kritisches Verhalten zu unterdrücken. Als Marie heimlich nach Nürnberg fährt, um bei dem Prozess dabei zu sein, macht sie die Bekanntschaft mit Lina, einer Jüdin. Ihr Bruder und sie haben ihre gesamte Familie im Holocaust verloren hat. Die beiden jungen Frauen verbindet entgegen ihres unterschiedlichen Hintergrundes schnell eine innige Freundschaft.

Etwa ein halbes Jahr später kommt Jonathan bei einem mysteriösen Unfall ums Leben. Am darauf folgenden Tag erhält Vera, seine Kollegin und Freundin aus Jugendtagen, die Aufzeichnungen seiner letzten Recherche mit dem Hinweis auf die Brisanz dieser Unterlagen. Eindringlich bittet Jonathan sie im beiliegendem Brief, niemandem zu vertrauen. Vera beschließt den Tod ihres Freundes aufzuklären und verfolgt seine Recherchen weiter, wobei sie unglaubliches enthüllt. Vera erfährt, dass gesuchte NS Verbrecher auf ungeklärte Weise aus Gefangenenlagern entkommen. Sie entdeckt Fluchtrouten, die über die Alpen von Tirol nach Südtirol und weiter zu den italienischen Hafenstädten führen und ebenso von Vertriebenen und Heimatlosen als auch von Nationalsozialisten genutzt werden. Den Alliierten sind diese Routen bekannt. Zudem wissen sie auch genau, dass gesuchte Verbrecher über diese Routen ins Ausland fliehen. Plötzlich findet sich Vera in politischen Verstrickungen wieder, in die nicht nur die Alliierten verwickelt sind, sondern darüber hinaus die katholische Kirche sowie das Rote Kreuz. Die Ungeheuerlichkeit von Veras Entdeckung bringt sie gleichzeitig auch in Lebensgefahr. Vera muss erkennen wie übermächtig ihre Gegner sind, die sie verfolgen und bedrohen. Wird Vera die Mörder Jonathans finden? Wird sie selbst lebend aus der Sache wieder heraus kommen können? Und welche Rolle spielen Marie und ihre Familie in dieser Geschichte?

Claire Winter nimmt den Leser mit in eine spannende Zeit, in der nach dem Krieg eine neue Weltordnung geschaffen wird. Der kalte Krieg ist erst in seinen Anfängen und doch beherrscht der Ost-West-Konflikt das politische Geschehen, in dem das besetzte Deutschland eine zentrale Rolle spielt. Die neue politische Situation und die „Organisation Gehlen“ bilden den Hintergrund für diesen Roman. Claire Winter erzählt eindrücklich vom Leben zwischen den Trümmern und von der Hoffnung junger Menschen, die den Krieg überlebt haben, auf eine bessere Zukunft. Die Handlungsstränge des Romans werden auf zwei Zeitebenen erzählt, beginnend im Mai 1949, wird immer wieder in das Jahr 1948 zurückgeblickt. So fügen sich nach und nach die Geschehnisse zusammen. Meist ist der Leser der Protagonistin Vera einen Schritt voraus. Dennoch bleibt der Roman bis zum Schluss spannend.

Meiner Ansicht nach sind die Figuren bis in die kleinste „Nebenrolle“ wunderbar erzählt. Zudem erkennt man beim Lesen, die Liebe zum Detail sowie die ausführlichen historischen Recherchen, die dem Roman zu Grunde liegen. Ein großartiges, fesselndes Buch, das ich nur schwer aus der Hand legen konnte und dessen Geschichte mich nachdenklich gestimmt hat. Empfehlenswert!

Kommentare

hobble kommentierte am 23. März 2018 um 06:22

Das Buch gefällt mir