Rezension

Ein Spaß... vor allem für Fans

Die Abenteuer des Apollo 1: Das verborgene Orakel - Rick Riordan

Die Abenteuer des Apollo 1: Das verborgene Orakel
von Rick Riordan

Bewertet mit 4 Sternen

Okay, dieses Buch hat Spaß gemacht! Und vermutlich würde dieser eine Satz als Bewertung völlig ausreichen. Aber dann würde hier eindeutig zuviel dezentes „Nichts“ bleiben und das wäre  schade. Also weiter: Kennt ihr Apollo? Er ist das Allround-Talent unter den Göttern! Er ist heiß, unfassbar gutaussehend, ein genialer Musiker, Gott der Weissagung und der Heilkunst, begnadeter Bogenschütze, auch genannt „der Strahlende“, der Sonnengott und und und…könnt ihr alles im „Who is who in der antiken Mythologie“ nachlesen.

Und damit kämen wir direkt zur Besonderheit dieses Buches. Normalerweise funktioniert es doch so: ein völlig durchschnittlicher Junge oder (noch öfter) ein ganz normales Mädchen entwickelt plötzlich übernatürliche Kräfte und kurze Zeit später muss er/sie die Welt retten. Hier läuft es umgekehrt: Der Held der Geschichte kann … NICHTS, absolut nichts. Er ist ein Gott, der von Zeus seiner ganzen Macht beraubt wurde und gleich zu Beginn vom Himmel in die Mülltonne fällt. Kann ein Abstieg entwürdigender sein? Vermutlich nicht. Aber es erklärt, warum Apollo ziemlich viel zu jammern hat. Er steckt im Körper eines gewöhnlichen Teenagers fest (wo ihm die Menschen doch sowieso ein Graus sind!), hat einen lächerlichen Namen, Rettungsringe um die Hüfte und Akne. Hauptgewinn!

Jetzt darf man sich darüber streiten, ob dieser Schnösel, dieser eingebildete aber nun sehr durchschnittliche Apollo wirklich einen so tollen Helden für ein Jugendbuch abgibt. Tatsächlich klappt das - wie ich finde - sogar ziemlich gut. Denn glücklicherweise ist Apollo recht witzig, nein, eigentlich ist er eher eine echte Witzfigur, die sich immerzu selbst entlarvt, aber im Laufe der Handlung dazu lernt und genau an dieser Stille funktioniert die Geschichte für mich dann einfach.

Wer Riordan kennt, weiß: Sein Schreibstil hat Tempo. Alles ist schnell, knapp und aktionsreich und ehrlicherweise sind mir seine Schnitte teilweise auch oft ZU krass. Ich persönlich brauche Zeit, um in einer Geschichte anzukommen und um meinen Platz zu finden. Ich brauche Spannungsaufbau über mehr als zwei Sätze…. oft wünsche ich mir bei ihm mehr Atmosphäre und szenische Details. Warum also Apollo? Siehe oben: Riordan macht Spaß! Er hat Ideen. Er verfügt über ein enormes Wissen und schafft es, dieses Wissen zeitgemäß zu vermitteln. Seine Witze kommen aus dem Nichts, erwischen den Leser kalt und seitenweise habe ich mich wirklich einfach nur durch das Buch gelacht. Die Art, wie er uralte Sagen in die Gegenwart katapultiert ist ohne Ende charmant. Orakel, deren Nützlichkeit man auf OrakelAdvisor.com bewerten kann, Geysirgötter, die Kundenbefragungen durchführen, das ist herrlich-abgefahren.

Kann man das Buch lesen, ohne die anderen Bücher Riordans gelesen zu haben? Jein. Man kann, aber es entgeht einem eine Menge. "Apollo" ist im Percy-Jackson-Universum angesiedelt und wimmelt nur so von gimmickartigen Querverweisen. Riordan wirft mit Namen um sich, die aus Vorgängern bekannt sind, so dass es bei Fans, die sich gut auskennen, ständig KLICK macht. Es gibt ein Wiedersehen mit vielen Charakteren, Percy ist auch dabei. Weil ich nicht alle Bücher der PJ-Welt kenne, liefen etliche Passagen bei mir ins Leere. Und DAS habe ich auch gemerkt. Man nimmt wahr, wenn gerade auf etwas angespielt wird, wovon man keine Ahnung hat. Für Neulinge ist das Buch also stellenweise schon recht verwirrend. Liest man über diese Stellen tolerant hinweg, hat „Apollo“ jedoch eine eigenständige Handlung, die für sich genommen gut aufgestellt ist und einen gewitzten Hintergrund hat. Aus Spoilergründen kann ich nichts verraten, aber die Idee ist cool! Trotzdem: Kenner werden mit dem Buch einfach mehr Spaß haben, als PJ-Starter.
 
Hat mir das Buch denn jetzt gefallen? Ja, größtenteils. Der Einstieg ist mit Apollos Fall auf die Erde direkt spannend und dann geht es erstmal Schlag auf Schlag. Der Plot ist wendungsreich und voller Geheimnisse, für junge Leser gibt es einiges an Action. Und dann ist da natürlich noch der Gott Apollo, der mit seiner menschlichen Existenz klarkommen muss - das ist mal etwas anderes. Mit der jungen Meg gibt es allerdings eine Protagonistin, zu der ich noch keinen Draht gefunden habe, was teilweise in der Figur selbst begründet liegt, die sich - genau wie Apollo - erst noch selbst finden muss. Und was ich gerade bei meinem Sohn feststelle (er ist mittendrin): Viele Stellen sind explizit für Erwachsene geschrieben, da kommen Kinder nicht mit. Jimi Hendrix, Woodstock, Britney Spears… wenn Riordan mit solchen Namen daher kommt, sehe ich bei meinem Sohn nur Fragezeichen in den Augen. Das geht dann ein bisschen an der Zielgruppe vorbei.

Fazit: An Riordans neuer Reihe werden vor allem Kenner ihre wahre Freude habe. Alle anderen: Ausprobieren! Riordans schnelle, kurzgefasste Art muss man mögen, passt aber perfekt zu seinem überfallartigen Humor. Die Geschichte selbst ist spannend, uraltes Wissen wird - wie immer - witzig, modern und wie nebenbei vermittelt. Auch der alters- und geschlechtsübergreifende Leser-Spagat gelingt gut. Kleine Ausnahme: Einige Gags sind für Kinder defintiv nicht verständlich, da oft Zusammenhänge auf die Schippe genommen werden, die eindeutig zur Erlebniswelt von Erwachsenen gehören. Mythologisches Vorwissen (beispielsweise Riordans Götter- und Heldensagen) schadet übrigens nichts. Man kommt dann einfach besser mit.