Rezension

Ein sprachliches Meisterwerk

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam - Sophie Divry

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
von Sophie Divry

Ein ernstes Thema, das mit viel Witz auf einem literarischen Spielplatz behandelt wird. Eine Erzählform, die keine Grenzen kennt!

Inhalt
Sophie ist jung, gebildet und arbeitslos seit sie schon vor einiger Zeit ihren Job als Journalistin verloren hat und auch die Aufträge als freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung immer seltener werden. Als dann irgendwann auch die Grundsicherung ausbleibt, die Rechnungen aber zuverlässig weiter bei ihr eintrudeln, merkt sie, dass sich etwas ändern muss. Während die Bürokratie des Sozialstaats, der ständige Hunger und ihr innerer Dämon ihr das Leben schwermachen, versucht sie sich irgendwie, ohne gegen ihre Prinzipien zu verstoßen, aus der Misere zu ziehen…und schreibt einen Roman, in dem ihr endlich einmal keine Grenzen gesetzt sind.

Meine Meinung
Der Roman hat mich von der ersten Seite an gepackt. Sophies Geschichte ist tragisch und ernst. Die Themen Arbeitslosigkeit, soziale Isolation und Armut gepaart mit den deprimierenden Erlebnissen im Bürokratie-Dschungel der Arbeitsagentur werden aufgenommen aber ohne, dass dieses Trauerspiel die Stimmung des Buches einnimmt. Nein, denn ihren Humor hat sie noch nicht verloren.
Selbstkritisch, gesellschaftskritisch und mit einer gehörigen Portion Ironie erzählt sie ihre Geschichte.

Es ist eine Geschichte die keine Grenzen kennt, weder inhaltlich, wenn sie sich plötzlich mit imaginären Figuren oder auch dem Teufel unterhält, die unbedingt ihren Senf zu ihrer Geschichte dazugeben wollen oder Gegenstände zu reden beginnen, noch stilistisch, wenn ihre Erzählung plötzlich durch einen „hervorgehobenen“ Bericht ihres Freundes Hector, der unbedingt will, dass dieser Teil hervorgehoben wird, unterbrochen wird oder sie seitenweise etwas zu einem bestimmten Thema auflistet und erst recht nicht typographisch, wenn plötzlich Wörter am Rand abkippen oder der gesamte Textkörper eine obszöne Form darstellt – immerhin hatte der Teufel sie gewarnt, dass das passieren würde.

Ich konnte mich sehr gut in Sophie hineinversetzen und fand sie sehr sympathisch. Trotz ihrer eigenen prekären Situation, hat sie ein gutes Auge für die Probleme anderer und hebt hervor, dass es anderen noch schlechter geht.
Sie führt dem Leser die Eigenarten des Armseins vor Augen, jedoch ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu fuchteln, wie ungerecht die Welt doch ist, dass man als Arbeitsloser auch durchaus selbst an seiner Situation beteiligt ist oder allzu sehr herumzujammern.
Sie stellt ein ganz reales Problem dar: Menschen aus einem liebenden Elternhaus, miteiner guten Bildung und den besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben, werden eben auch nicht immer gebraucht. Da zählen Erfahrungen in der Akkordarbeit eines gastronomischen Unternehmens mehr als ein toller Hochschulabschluss. Und gerade das Gefühl des „Nicht-gebraucht-werdens“ ist bei den vielen Aspekten der Arbeitslosigkeit besonders gravierend. Das führt auch nicht selten dazu, dass Sophie sich gehörig im Selbstmitleid suhlt und wie wenig das bringt ist ihr durchaus bewusst, dass man manchmal aber einfach nicht anders kann, jedoch genauso und das macht sie so authentisch.
Bevor so etwas dann aber den durchweg unterhaltsamen und eher amüsanten Charakter des Buches stören könnte erklärt sie dem Leser die einfachen Regeln des erfolgreichen „An-die-Decke-Starrens“…
Die anderen Charaktere blieben eher plakativ und vor allem durch ihre Marotten gekennzeichnet und brachten genau dadurch noch mehr Witz in die Geschichte.

Sprachlich und stilistisch ist das Buch somit für mich ein wahres Kunstwerk und strotzt nur so vor Neologismen, Metaphern und Vergleichen, die auch oft als solche beschrieben, bzw. in einem inneren Monolog erörtert werden, da wir als Leser ja den Schreibprozess des Romans miterleben sollen. Es ist eine Liebeserklärung an die Sprache und die Literatur und der Übersetzerin sollte meiner Meinung nach auch besonders viel Anerkennung zukommen…das war mit Sicherheit nicht leicht!

Das Cover ist zwar auf den ersten Blick schlicht, doch lassen die ausgestanzten Hörner im Umschlag auf den schwarzen Buchrücken blicken, was auch schon als Metapher aufgefasst werden könnte und einen Vorgeschmack gibt auf das, was einen in dem Roman erwartet. Mit dem Titel verhält es sich ähnlich. Soviel kann gesagt sein: der Teufel kommt wirklich irgendwann aus dem Badezimmer – ob es sich dabei um eine Metapher oder eine Wahnvorstellung handelt…wer weiß? Gut, dass es in diesem Buch keine Grenzen gibt, und so etwas keiner Erklärung bedarf!

Fazit
Dieses Buch ist für mich ein Meisterwerk der Sprache, wie ein abstraktes Gemälde bei dem man in jedem kleinen Detail etwas Neues entdeckt, bei dem Dinge plötzlich passen und möglich erscheinen, die es eigentlich nicht sind…
Die Geschichte konnte mich sofort fesseln: ein ernstes Thema lustig auf einem literarischen Spielplatz verpackt. Ich konnte mich in Sophie hineinversetzen und wäre ihr am Ende gerne noch weiter gefolgt.

Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, der mal etwas ganz anderes lesen möchte.