Rezension

Ein Stück vom Glück

Zartbitter ist das Glück - Anne Østby

Zartbitter ist das Glück
von Anne Østby

Bewertet mit 5 Sternen

Kat lebt seit Jahren auf einer Kakao-Plantage auf den Fidschi-Inseln. Nach dem Tod ihres Mannes schreibt sie vier Jugendfreundinnen an, ob diese nicht bei ihr leben möchten.  Kat würde gerne Schokolade herstellen. Und braucht dazu Hilfe. 
Sina und Ingrid folgen dem Ruf ohne zu Zögern, Lisbeth und Maya kommen erst nach reiflicher Überlegung nach. Die fünf Frauen, alle deutlich über 60, müssen sich nun erst wieder zusammenraufen, da sie sich in den 40 Jahren seit der Schule doch stark verändert haben. 
Es kommen viele Gefühle auf. Eifersucht, Neid und Mitleid. Aber auch Erinnerungen an die Jugend, die Freundschaft und den Zusammenhalt. Und das es die eine nicht so leicht hatte, wie die andere und die, die es scheinbar leicht hatte, auch ihr Päckchen zu tragen hat.

Welch zauberhafte Geschichte um 5 ältere Damen, die im hohen Alter nochmals alles dafür geben, glücklich sein zu dürfen. Gäbe es einen besseren Ort als eine Kakaoplantage auf den Fidschi-Inseln mitten im Stillen Ozean? Ja, werden viele denken. Aber wenn man die wundervolle Geschichte gelesen hat, weiß man, dass es für die fünf Frauen einfach der perfekte Ort ist. Ein Stück vom Glück eben.

Ich habe mal wieder gemerkt, dass ich nicht skeptisch an eine Geschichte herangehen darf. Als ich vom Verlag das Buch zugesandt bekam, und ich nach Lesen des Klappentextes mal eben wieder besagte Skepsis verspürte, habe ich mich aufgerafft, in die Story einzutauchen. Und ich muss zugeben, dass ich schon nach wenigen Seiten vom Zauber der Geschichte gefangen war. Unter anderem auch wegen der sehr flüssigen und harmonischen Schreibweise.
Mir ist nun nach Lesen verschiedener skandinavischer Autoren aufgefallen, dass sich er Stil hier sehr von deutschen oder amerikanisch/englischen Autoren sehr unterscheidet.

Die Tiefgründigkeit der Story macht es einem schwer, wieder in den normalen Alltag einzufinden. Mehrmals hatte ich z. B. bei der Hausarbeit meine Gedanken bei dem Buch und ich fragte mich, was sich wohl als nächstes in den bewegten Leben von Kat, Lisbeth, Sina, Maya und Ingrid wohl abspielen wird.

Denn die Fünf könnten nicht unterschiedlicher sein. Und doch verbindet sie die Freundschaft aus den Jugendjahren. Hier scheint vor allem Kat die treibende Kraft zu sein. Sie ist das Verbindungsglied zwischen allen.
Man lernt viel über das Leben der Frauen kennen. Kinder und Ehemänner werden erwähnt, aber auch verschiedene Szenen aus der Vergangenheit kommen als Rückblenden zu Wort. Und auch Zukunftsängste. 

Es stellt sich immer wieder die Frage: Sind die Frauen glücklich? Haben sie das Leben gelebt, dass sie sich vorgestellt haben? Und sind sie ehrlich zueinander bzw. gegenüber sich selbst?

Man lernt auch viel über die Schokoladenherstellung, die aber eigentlich eher so nebensächlich abläuft. Trotzdem ist es interessant, wie dies funktioniert. 

Den "Leidens"Weg der Frauen mitzuverfolgen, war für mich sehr inspirierend und hat mich dazu gebracht, auch mal über mein Leben nachzudenken. Dies ließ mich zum Schluss kommen, dass ich sehr zufrieden bin, wie es bis jetzt gelaufen ist. Ändern möchte ich nicht viel, doch gibt es einige Punkte, über die ich intensiver nachdenken werde und die einer Veränderung bedürfen.
So kann ich zu meinen Glück noch ein paar Stück hinzufügen.

Aber nicht nur die fünf Frauen, auch die Nebenrollen sind gut durchdacht und haben ausreichend Platz in der Geschichte. Hier ist es vor allem die Haushälterin Arteca, die mich sehr begeistern konnte. Eine sehr mütterliche Person, der es daran gelegen ist, dass es jedem gut geht.

Die Lebensweise der Fidschijaner wird ebenfalls ausführlich zelebriert und so bekommt man große Lust, dort einmal Urlaub zu machen. Aber nicht in den großen Hotels, sondern in einem kleinen Dorf, eben mitten im Leben. Denn Tradition wird dort großgeschrieben. 

Die Geschichte wird kapitelweise jeweils aus Sicht einer anderen Frau erzählt, bei Lisbeth, Maya, Ingrid und Sina aus Sicht einer dritten Person, während Kat in Ich-Form auftritt und Arteca in Tagebucheinträgen zu Wort kommt. 

Auch die Optik des Buches ist erwähnenswert. In Leinen gebunden und mit geradem Rücken ist es für das Auge und das Bücherregal ein Schmuckstück. Das bedruckte Lesebändchen bietet nochmals ein kleines Highlight. 
Der neu gegründete Verlag Wunderraum hat sich hier einiges einfallen lassen. Und wenn ich mir die Vorschau so ansehe, kommen noch weitere kleine "Wunder".

Fazit:
Ein tiefgründiger Ausflug in den Stillen Ozean.