Rezension

Ein Südstaatenroman voller Wärme, stillem Humor und grenzenloser Menschlichkeit

Wer die Nachtigall stört - Harper Lee

Wer die Nachtigall stört
von Harper Lee

Bewertet mit 5 Sternen

In den 1930er Jahren wachsen die Geschwister Scout (8) und Jem (12) Finck in dem beschaulichen Städtchen Maycomb in Südalabama auf. Ihre Mutter starb früh und so übernimmt Vater Atticus Finck die Erziehung. Die schwarze Köchin Calpurnia gehört ebenfalls zur Familie und sorgt derweil für die nötige Strenge in der Erziehung der Kinder. Atticus -ein angesehener Anwalt in der Stadt- ist ein sehr gerechter und liebevoller Mann und Vater. Er erzieht seine Sprößlinge zu toleranten, einfühlsamen Menschen. Insbesondere im Hinblick auf die Schwarzen, die ebenfalls in Maycomb leben, legt Atticus Wert auf eine gleichberechtigte Behandlung Aller.

S.49 (Atticus): „ „Vor allem, Scout“, sagt er, „mußt du einen ganz einfachen Trick lernen, dann wirst du viel besser mit Menschen aller Art auskommen. Man kann einen anderen nur richtig verstehen, wenn man die Dinge von seinem Gesichtspunkt aus betrachtet.““

Gemeinsam mit Freund Dill verbringen Scout und Jem friedliche und spannende Zeiten, die üblichen Kinderstreiche einbegriffen. Ihr größtes Problem und zu lösendes Rätsel ist wohl der Nachbar Boo Radley, über welchen sich allerlei Gruselgeschichten ranken und den sie nie zu Gesicht bekommen. Bis der Tag kommt, an dem Atticus einen Schwarzen verteidigen soll, der sich angeblich eines Kapitalverbrechens schuldig gemacht hat. Ab sofort ändert sich einiges im gewohnten Leben der Familie Finck und der Stadt Maycomb. Nicht nur das gerechte Weltbild gerät für die Kinder ins Schwanken, auch sehen sie sich mehr und mehr einer wirklichen Gefahr ausgesetzt…

Aus der kindlich-naiven Sicht des Mädchens Scout erzählt uns Harper Lee in Form von Rückblicken die Geschehnisse dieser 2-3 aufregenden Jahre in ihrer Kindheit. Wir werden hineingezogen in die Welt neugieriger, mutiger, sturköpfiger – und so liebenswerter Kinder, die ihre Nachbarschaft enträtseln wollen und gleichzeitig auf schwierige, teilweise für sie sehr schwer nachvollziehbare Proben gestellt werden. Die Konflikte – insbesondere in Bezug auf Rassentrennung und Rassenhass- lösen bei Scout und Jem Ungläubigkeit, Angst und Frustration aus. Aber Vater Atticus ist ihnen in seinem Streben nach Gerechtigkeit und Gleichbehandlung stets das größte und liebste Vorbild und immer eine gute Hilfe. Gleichzeitig erleben wir die Entwicklung der Kinder, die teils Früchte der Erziehung durch Atticus und Calpurnia zeigen und teils mit ganz alltäglichen Dingen, wie der einsetzenden Pupertät bei Jem einhergehen. Alle diese Charaktere hat die Autorin sehr bildhaft, lebendig und authentisch entwickelt. Ganz besonders ins Herz geschlossen habe ich Atticus, aber auch Jem und Scout und Miss Maudie und… – ach so viele mehr. Es ist eine lehrreiche Geschichte voller Wärme, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat. Durch die kindliche Sicht wird vieles so simpel und einleuchtend auf den Punkt gebracht, dass mir ein ums andere Mal die Augen feucht geworden sind…

S.330 (Scout) „ „Nein, Jem, ich glaube, es gibt nur eine Art von Menschen. Einfach Menschen.““

Fazit: Ein Südstaatenroman voller Wärme, Abenteuer und Menschlichkeit. Weise und mit feinem Humor erzählt aus der Sicht der jungen Scout. Ein Roman, der das Herz erobert von der ersten Seite an. Ich habe oft innegehalten, habe gelacht und geweint – ein Juwel von einem Buch!  

Kommentare

Federfee kommentierte am 25. August 2016 um 16:11

Unglaublich, dass ich es noch nicht gelesen habe ... dabei steht es schon länger auf meiner Liste. Man liest nur Gutes.

LG, Ingrid

wandagreen kommentierte am 25. August 2016 um 16:14

Danke für diese wundervolle Erinnerung, Bi! Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemandem dieser Roman nicht gefällt.

Naibenak kommentierte am 25. August 2016 um 21:55

Och...bitte gerne^^ Ich kann es mir ebensowenig vorstellen :-)