Rezension

Ein Thriller des Jahres, der gar kein Thriller ist..?!

Dark Memories - Nichts ist je vergessen - Wendy Walker

Dark Memories - Nichts ist je vergessen
von Wendy Walker

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Buch beginnt mit der unvorstellbar brutalen Vergewaltigung von Jenny. Als sie danach ins Krankenhaus kommt, müssen die schockierten Eltern eine wichtige Entscheidung treffen: Soll Jennys Erinnerung an die Vergewaltigung mit einem Medikament ausgelöscht werden?

Die beiden Eltern gehen sehr unterschiedlich mit der Situation um, entscheiden sich dann jedoch gemeinsam dafür, die Erinnerung ihrer Tochter an die wohl schlimmste Nacht ihres Lebens zu löschen. Die Folgen der Vergewaltigung machen nicht nur Jennys Leben zur Hölle, sondern auch das Leben ihrer Familie. Als klar wird, dass Jenny nur mit der Erinnerung an die schlimmen Dinge ihre Gefühle verarbeiten kann, begibt sich die Familie in die Behandlung von Doktor Alan Forrester. Dieser gerät selbst immer tiefer in die Therapie und steht bald vor einer wichtigen Entscheidung..

Stil, Machart, Meinung

Zunächst möchte ich die wichtige Frage klären, was man von diesem Buch erwarten kann. Denn die angepriesenen Genres haben mich und einige andere Leser etwas getäuscht. Auf dem Taschenbuch selbst findet sich die Bezeichnung „Roman“. Das mitgelieferte Lesezeichen spricht vom „Thriller des Jahres“ und auch ein gelber Sticker auf einer Abbildung des Covers versprach „Thriller“. Schon vor dem Lesen fand ich das etwas merkwürdig. Als dann die erste Hälfte des Buches auch wirklich nur auf der Couch des Therapeuten stattfand und nur die Auswirkungen der Vergewaltigung auf die gesamte Familie und sogar die Stadt beschrieb, war ich schon recht gelangweilt. Thriller war das überhaupt nicht. Und dann passierte etwas, was alles änderte. Auf einmal wurde es sehr spannend, einfach nur auf Grund einer Entdeckung die den Therapeuten in eine heikle Lage bringt. Nun wird es interessant, eine neue Dynamik kommt in die Geschichte. Es wird etwas mehr Thriller, Psychothriller. Alle Informationen die mich am Anfang langweilten, machten jetzt Sinn und wurden irgendwie gebraucht. Daher an alle, die mit dem Gedanken spielen, dieses Buch abzubrechen: die zweite Hälfte wird super, durchhalten!

Die Erzählweise ist sehr interessant. Der Ich-Erzähler ist der Therapeut Alan, der auch einfach eine sehr gute Perspektive in der Geschichte einnimmt. Er erfährt in seinen Sitzungen von Jenny, ihren Eltern und auch einem weiteren Patienten mit ähnlichem Problem alles, was man wissen muss. Nebenbei hat er einen guten Draht zu dem ermittelnden Detective und sein Privatleben spielt auch eine Rolle. Ich mag diese Idee, dass ein Problem von verschiedenen Personen ganz unterschiedlich aufgenommen und verarbeitet wird. Die haben dann auch alle noch ihre eigenen Probleme.

Interessant ist auch die Aufmachung der Dialoge. Davon gibt es natürlich verhältnismäßig viel, denn die Handlung spielt, wie schon gesagt, zu 90% auf der Couch des Therapeuten.  Ein Großteil der Geschehnisse wird dem Leser über die Dialoge vermittelt. Und so gibt es kein ständiges „er sagte“ und „sie sagte“, sondern einmal die Erzählung des Therapeuten und dann die Erzählungen bzw. Aussagen in den Dialogen der anderen Personen in kursiv. Ich finde das mal was neues, musste mich nur kurz dran gewöhnen und finde diese Lösung für den großen Anteil von Dialogen an der Geschichte eine sehr gute Idee. Die Umsetzung gefällt mir , wobei ich mir auch vorstellen kann das einige Leser sich daran vielleicht stören werden.

Der Thriller, der nicht so ganz einer ist, bekommt durch die Geschehnisse noch ein paar Krimi-Elemente dazu (wer ist der Vergewaltiger?) und beschreibt wie ein Roman anschaulich und (zu?) ausführlich die Auswirkungen einer Vergewaltigung auf eine Familie. Ab der Hälfte ist es dann ein Psychothriller..

Hier habe ich gekürzt, die „Vollversion“ mit dem zusätzlichen Thema „was lernen wir daraus?“ fürs Schreiben vom eigenen Buch gibt’s auf meinem Wordpress Blog: http://wp.me/p6tREn-1oJue

Fazit

Dark Memories scheint erfolgreich zu sein. Es wird anscheinend in 17 Ländern erscheinen und von Hollywood sogar verfilmt. Ich habe mich zwar durch die langweilige erste Hälfte gekämpft, war aber ab circa der Hälfte des Buches von einer ganz neuen Entwicklung total gefesselt und fand die weiteren Handlungen sehr spannend und interessant. Ein Buch, welches zur Hälfte langweilt, finde ich jedoch nicht gut. Hier muss ich jedoch anmerken, dass alle Informationen aus der ersten Hälfte die Handlungen und Gefühle der Personen in der zweiten Hälfte erklären. Die Einführung ist irgendwie nötig, um die sich überschlagenden Ereignisse so dramatisch einzuleiten. Da ich neben Krimi und Thriller gern auch mal einen Roman lese und die Schreibweise und der Plot mir gefielen, so vergebe ich dann doch noch knappe 4 Sterne, also 3,5. Als Hollywood – Film wird sich die Geschichte sicherlich auch gut machen, da muss sie ja von Anfang an Fahrt aufnehmen..

Wer knallharte Action, ein ab der ersten Seite fesselndes Buch oder auch eine Menge Mord und Totschlag erwartet, der sollte vielleicht ein anderes Buch zur Hand nehmen. Wer gern Psychothriller, Krimi, und Romane liest und sich auf die Geschwindigkeiten der Geschichte einstellen kann, der wird hier eine interessante Geschichte lesen, die wirklich auch mal etwas anderes ist.