Rezension

Ein tolles Debüt zum Thema Amoklauf/Geiselnahme!

Was wir dachten, was wir taten - Lea-Lina Oppermann

Was wir dachten, was wir taten
von Lea-Lina Oppermann

Bewertet mit 5 Sternen

Wie kann so eine Geschichte anfangen, als mit dem gefürchtetstem Satz, den man sich vorstellen kann: 

»Es ist ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem aufgetreten. Bitte bewahren Sie Ruhe. Begeben Sie sich sofort in einen geschlossenen Fachraum und warten Sie auf weitere Anweisungen.«

Diese Lautsprecherdurchsage verändert in Sekunden das Leben einer ganzen Schule. Als Leser bekommt man den Einblick auf das Geschehen durch die Klasse von Herrn Filler, die genau zu dieser Zeit einen Mathetest schreibt.

Durch einen üblen Trick des Täters öffnet ihm die Klasse die Tür. Das Grauen nimmt seinen Lauf. Der Lehrer und seine Schüler werden zu Geiseln und sie wissen nicht, was sie am Ende erwartet. Werden sie überleben? Wer wird überleben? 

Recht schnell wird klar, dass dies kein typischer Amoklauf ist. Der maskierte Täter ballert nicht einfach so um sich herum und tötet wahllos, er spricht kein einziges Wort und hat 10 Briefe dabei, die vorgelesen und umgesetzt werden müssen. 

Aus Sicht der Schülerin Fiona, des Schülers Mark und des Lehrers Herrn Filler ist man als Leser / Hörer ganz nah an dieser Geiselnahme dran. Ein jeder erzählt aus seiner Perspektive einen Teil des Ganzen. 

Die Briefe haben es in sich! Die Aufgaben steigern sich von Mal zu Mal und immer wieder stellt sich die Frage aufs Neue: Für was sind sie alle bereit zu sterben? Denn die Pistole spricht eine deuteliche Sprache: Wird die Aufgabe nicht zufriedenstellend erfüllt oder gibt es eine Weigerung, dann soll sie zum Einsatz kommen. 

Am Interessantesten empfand ich den Teil des Lehrers. Vielleicht liegt das aber auch daran, weil ich schon lange keine Schülerin mehr bin und durch die Tatsache, dass ich Mutter bin, habe ich eine eindeutige Erwartungshaltung an einen Lehrer. Er muss das ihm Mögliche tun, um seine Schüler zu schützen! Doch wie soll das in so einer Situation gehen? Wann ist es in Ordnung, wenn er sich weigert? Was ist sein Leben wert? Ist er in solch einer Situation auch nur ein Mensch? 

Gekonnt hat die Autorin ihre Geschichte aufgebaut und die Leser / Hörer tief in die Köpfe der Klassengemeinschaft und des Lehrers blicken lassen. Man fühlt sich mitsamt der Klasse gefangen! Wann sollte und könnte man sich trauen, zu versuchen, den Täter zu überwältigen? Sollte man so eine Situation aktiv herbeiführen oder soll man darauf vertrauen, dass sie sich irgendwann ergeben wird? Fragen über Fragen, immer und immer wieder. 

Die Story geht langsam voran da sie nicht von Thrillerelementen getrieben wird. Dies ist eine Geschichte in die Köpfe und die Gefühle der Personen und keine "Ballergeschichte". So langsam sich das Ganze entwickelt, so plötzlich ist dann das Ende da. Der Täter ist entlarvt und seine Motivation wird deutlich. Aber nicht ganz so deutlich, wie ich sie gerne gehabt hätte. Sie regt zum Nachdenken an. Und deshalb schließe ich mich all meinen Vorrednern an, die in ihren Rezensionen geschrieben haben, dass sich das Buch sehr gut als Schullektüre eignet. Ich kann mir zum Schluss des Buches sehr gute Diskussionen vorstellen. Ich finde es sogar besonders wichtig, dass Schulen zu solchen Themen zu Gesprächsrunden einladen.

Aus meiner Sicht hätte der Täter eine ebenso tiefe Persönlichkeits- und Motivationsbetrachtung verdient, gerade weil dieser Täter nicht der gewöhnliche und durchschnittliche Amokläufer ist. Hierzu hätten mir sehr gefallen, die Gedanken von Lea-Lina Oppermann zu erfahren.

Ich habe das Buch gelesen und dann das Hörbuch gehört, da ich wissen wollte, wie die Geschichte als Kammerspiel auf mich wirken wird. 

Zum Hörbuch:
Das Hörbuch ist durch die verschiedenen Sprecher und die Umsetzung der Geschichte absolut empfehlenswert! Durch die unterschiedlichen Sprecher weiß man sofort, wer gerade erzählt. Als Hörer fühlt man sich im Klassenraum als Mitgefangener und kann die Verzweiflung, die Ängste und Sorgen der Betroffenen spüren. Man kann sich zurücklehnen und sich ganz dem Buch hingeben. Dies macht für mich den einen Stern, den ich dem gedruckten Buch wegen dem etwas zu kurzem Ende abgezogen habe, wieder wett.

Fazit:
Ein wichtiges und zu recht ausgezeichnetes Jugendbuch, das Themen behandelt, die in jedem Klassenzimmer wiederzufinden sind. Ein Buch, dass von Jugendlichen als auch von Erwachsenen gelesen werden kann.