Rezension

Ein trauriges Schicksal

Mileva Einstein oder Die Theorie der Einsamkeit - Slavenka Drakulic

Mileva Einstein oder Die Theorie der Einsamkeit
von Slavenka Drakulic

Bewertet mit 4 Sternen

Gebundene Ausgabe: 224 Seiten

Verlag: Aufbau Verlag (13. April 2018)

ISBN-13: 978-3351037079

Originaltitel: Mileva Einstein, teorija tuge

Übersetzung: Katharina Wolf-Grießhaber

Preis: 20,00€

auch als E-Book erhältlich

 

Ein trauriges Schicksal

 

Mileva Einstein, Albert Einsteins erste Frau, hatte es wahrlich nicht leicht im Leben. Von Geburt an mit einem Hüftleiden und einem daraus resultierenden Hinken belastet, entwickelte sie schon früh eine Leidenschaft für die Mathematik und die Naturwissenschaften. Sie studierte ab 1896 als eine der ganz wenigen Frauen am Polytechnikum in Zürich, wo sich ihr Kommilitone Albert Einstein in sie verliebte. Sie arbeiteten zusammen an wissenschaftlichen Hypothesen und heirateten schließlich. Doch die Ehe stand unter keinem guten Stern. 

 

Der Roman von Slavenka Drakulić setzt 1914 ein, als die Ehe bereits am Zerbrechen ist. Albert hat sich in seine Cousine Elsa verliebt, die, wie man weiß, später seine zweite Frau wird. Er lässt Mileva einen Brief überbringen, der aus ihrer Ehe ein rein geschäftliches Verhältnis machen soll. Diese Bedingungen kann Mileva unmöglich akzeptieren, so erniedrigend sind sie. Also trennt sie sich von Albert. Es beginnt ein zermürbender Krieg um Unterhalt und Besuche. Mileva hat die Last der Erziehung zweier Jungen überwiegend allein zu tragen. Erschwerend kommt hinzu, dass der kleine Eduard oft krank ist und schließlich eine Geisteskrankheit diagnostiziert wird. Auch die Sorgen um Milevas Familie in Novi Sad machen ihr zu schaffen. 

 

Nachdem ich vor Kurzem erst einen anderen Roman über Frau Einstein gelesen habe, war ich neugierig, wie Slavenka Drakulić die Geschichte um diese weithin unbekannte Frau umgesetzt hat. Während der Roman von Marie Benedict schon früh im Leben Milevas einsetzt und ausführlich das Studium, das Leben in einer Pension und die Liebe zu Albert beschreibt, also überwiegend die erste Lebenshälfte erzählt, kommt diese Zeit bei Slavenka Drakulić nur in kurzen Rückblicken und Erinnerungen zur Sprache. Sie legt das Hauptaugenmerk auf die schlimme Zeit danach. Insofern ergänzen sich die beiden Romane ganz gut, auch wenn sie sich natürlich zuweilen überschneiden.

 

Mileva ist fast gänzlich auf sich allein gestellt. Sie hat keine Unterstützung, was die Kindererziehung und Betreuung des kranken Eduard betrifft. Wie sie leiden auch die beiden Söhne unter der Trennung vom Vater. Mileva tut alles, was in ihrer Macht steht, um den Jungen ein gutes Leben zu ermöglichen. Doch den Vater kann sie ihnen nicht ersetzen. Sie verfällt immer mehr in eine Melancholie. Die Einsamkeit, die sie umgibt, ist in jedem Satz förmlich zu spüren. Man hat den Eindruck, nur die Sorge um die Kinder hält sie noch im Leben. 

 

Dabei wird auch ihre innere Zerrissenheit sehr schön ausgearbeitet. Immer wieder fragt sie sich, was sie hätte anders machen können, gibt sich die Schuld an verschiedenen Dingen. Und ist eigentlich doch nur ein Opfer ihrer Zeit, ein Opfer der damaligen Gesellschaft, in der die Frau zu tun hatte, was der Mann wollte. Eine starke, selbst denkende Persönlichkeit wie Mileva Einstein hatte es hier nicht leicht.

 

Slavenka Drakulić erzählt diese tragische Lebensgeschichte mit viel Empathie. Man kann leicht in Mileva Einstein hineinsehen, da immer wieder ihre Gedanken einfließen. Allerdings fand ich den übergangslosen Wechsel zwischen der personalen Erzählung und den inneren Monologen oft etwas verwirrend. Auch einige Wiederholungen haben mich ein bisschen gestört. Doch das sind nur Kleinigkeiten. Im Großen und Ganzen ist dieser biographische Roman sehr lesenswert und wirkt nicht zuletzt aufgrund von eingearbeiteten „Originaldokumenten“ sehr authentisch.