Rezension

Ein typischer Irving

In einer Person
von John Irving

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es gibt Romane die haben einen perfekten Anfang, einen mittelmäßigen Mittelteil und dann vielleicht einen passablen Schluss. Dann wiederum gibt es Romane, die haben eventuell einen sehr guten Mittelteil und der Schluss ist genial, dafür ist aber der Anfang eher lahm. Auf John Irvings Romane trifft das für mich nie zu. Selbst die, die ich eher mittelmäßig finde haben immer einen Anfang den ich mag und auch der Rest ist immer so das ich mich absolut wohl fühle und eigentlich am liebsten sofort einen weiteren Roman von Irving lesen möchte. "In einer Person" hat nun einen Schluss den ich so, wie er sich dann in die Handlung einfügt als absolut gelungen und wunderbar empfinde. 
Ich habe den Roman gerade beendet und daher ist meine Erinnerung an das Ende natürlich sehr präsent. Es ist das Einzige mal das er Roman vielleicht doch offensichtlich moralisch wird. Aber auf eine Art die ich als sehr charmant empfunden habe. 

"In einer Person" kommt nicht ganz an meine Irvingfavouriten heran, erst in diesem Jahr habe Ich den Vorgänger "Last Night in Twisted River" gelesen, der mich sehr viel stärker in seinen Bann gezogen hat. Und dennoch hat auch dieser Roman etwas an sich das mich nicht losgelassen hat. Vielleicht war es vor allem die Art wie Irving von Bisexualität erzählt. Aber es war ganz sicher, weil der Roman mit der Liebe zu einer Bibliothekarin beginnt und damit die gesamte Handlung aufrollt. Weil das Schreiben und die Liebe zur Literatur eine wichtige Rolle einnehmen und William in seinen entscheidendsten Lebensphasen begleiten. Die Art und Weise wie jemand eifersüchtig wird, weil der Partner Madame Bovary liest, aber auch die Tatsache welchen Roman man am liebsten mehr als einmal lesen möchte und warum. 

Welche Menschen beeinflussen mit ihrer Anwesenheit oder ihrer Abwesenheit ein ganzes Leben? Und was ist wenn man sie nur eine kleine Weile kennen durfte, sie aber trotzdem so präsent waren das man sie ein Leben lang nicht vergessen kann? Und wie reagiere ich wenn diese Menschen mich aufgrund der Umstände nicht akzeptieren wollen weil ein Teil von mir nicht in ihre Moralvorstellungen passen könnte? 
Irving erzählt wieder einmal aus dem Leben selbst und obwohl er dabei wie immer irgendwie übertreibt, habe ich bei ihm niemals das Gefühl das er mir Lügen auftischen würde. Im Gegenteil, seine Roman erzählen mir immer wieder ganz besondere Wahrheiten und jedes Mal habe ich wieder den Wunsch einen der Figuren des Romans zu treffen. 

Warum es keine  volle Punktzahl gibt, liegt vor allem daran das ich Vergleiche anstelle. "In einer Person" kommt weder an "Gottes Werk und Teufels Beitrag", noch an "Last Night in Twisted River", und schon gar nicht an "Owen Meany" heran. Auch nicht an meinen ganz persönlichen Liebling "Witwe für ein Jahr" und doch ist er besser als "Bis Ich dich finde" den ich als eher schwachen Roman empfunden habe. Aber er ist trotzdem ein großartiger Roman - wenn man ihn losgelöst betrachtet und etwas objektiver *gg* Mein Bauchgefühl verbietet mir allerdings eine höhere Punktezahl.