Rezension

Ein unterhaltsamer Roman, dessen Geschichte am Ende leider schwächelt

Das Mädchen aus dem Savoy - Hazel Gaynor

Das Mädchen aus dem Savoy
von Hazel Gaynor

Bewertet mit 3.5 Sternen

London, Herbst 1923, Dorothy Lane tritt ihre neue Stelle als Zimmermädchen im Hotel Savoy an. Dolly, wie sie lieber genannt wird, ist voller Hoffnung auf ein besseres Leben. Der erste Schritt dahin soll ihre neue Stelle im Luxushotel sein, welche sie in die Nähe der Reichen und Berühmten bringt. Auf dem Weg zu ihrem neuen Arbeitsort wird sie nicht nur vom Londoner Dauerregen durchweicht, sie stößt auch heftig mit einem Mann zusammen, dessen Notenblätter sich auf dem nassen Gehsteig verteilen. Obwohl er diese im Mülleimer entsorgt, nimmt Dolly die Blätter an sich und bewahrt sie auf. Eine spontane Entscheidung, die, wie sich später herausstellt, für beide zum Glücksfall wird.

Dorothy Lane ist eine junge Frau voller Träume, deren Herzschlag im Takt eines Schmetterlingsflügels schlägt. Durch den ersten Weltkrieg hat sie schmerzhafte Verluste erlitten und sucht nun nach ihrem Weg, der sie aus der Unsichtbarkeit heraustreten lässt. Dolly strebt nach einem besseren Leben. Daher ergreift sie die Chance als Zimmermädchen im Londoner Luxushotel Savoy zu arbeiten. Dort, wo berühmte Persönlichkeiten der Zeit ein- und ausgehen, hofft sie auf Begegnungen, welche sie ihrem Ziel von einer Bühnenkarriere näher bringen.

Auf dem Weg ins Savoy stößt sie unglücklich mit einem Komponisten zusammen, dessen Notenblätter sich auf dem regennassen Gehsteig verteilen. Er wirft die aufgesammelten Blätter in den Mülleimer. Einem Impuls folgend nimmt Dolly die Blätter an sich. Eine schicksalshafte Entscheidung für beide Beteiligten. Doch erst einmal muss Dolly den Alltag im Hotel meistern, denn als Zimmermädchen hat sie sich nicht nur allerlei zu merken, sondern muss für die Gäste unsichtbar sein. Nach vielen Enttäuschungen und Verlusten während und nach den Kriegsjahren, ist Dolly entschlossen sich nicht unterkriegen zu lassen. Doch immer wieder wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt, die Dolly selbst auch noch nicht loslassen kann. Dolly trifft im Hotel auf den Broadway Agenten Snyder. Er ist ihr zwar unsympathisch, dennoch bittet sie um eine Gelegenheit zum Vortanzen. Wird er ihr die Chance geben, auf die sie hofft? Auch die Wege vom Komponisten Perry, dessen Notenblätter Dolly vor der Vernichtung bewahrt hat, und Dolly kreuzen sich abermals. Was Dolly nicht weiß, Perry ist der Bruder der berühmten Schauspielerin Loretta May. Dolly kommt ihren Träume vom Leben im Rampenlicht sehr nah, doch kann sie die Vergangenheit hinter sich lassen und zu neuen Ufern aufbrechen?

Dolly ist eine Träumerin und ein wenig chaotisch, allerdings vom ersten Moment an liebenswert. Deshalb leidet man als Leser direkt mit, wenn ihr Unrecht widerfährt oder sie zum wiederholten Male scheitert. Dolly ist eine mutige junge Frau, die einfach nicht aufgibt und ihre Kraft aus der Vergangenheit schöpft. Der Roman erzählt nicht nur von der lebenshungrigen Dolly, sondern auch von kriegsversehrten Soldaten, die das Trauma des ersten Weltkrieges nicht verarbeitet haben und von einer Generation, die versucht die Kriegsjahre abzuschütteln, um vorwärts gehen zu können. Mit viel Feingefühl wird der Leser an die Figuren herangeführt. Jedes Kapitel enthüllt Neues aus dem Leben der Protagonisten.

Wie es für Dolly, und auch die anderen, beruflich und privat endet, bleibt fast bis zum Ende undurchschaubar. Doch auch, wenn das Ende unvorhersehbar ist, fällt es für meinen Geschmack etwas zu zuckersüß aus. Auf den letzten 50 Seiten häufen sich die Zufälle und erscheinen mir, wie Dollys Werdegang zum Schluss, realitätsfremd. Damit verliert das Buch zum Ende hin leider an Nachdenklichkeit und auch an Tiefe, was schade ist. „Das Mädchen aus dem Savoy“ ist ein unterhaltsamer  Roman, der von einer Generation erzählt, die durch den ersten Weltkrieg verwundet wurde und von deren Träumen und Hoffnungen.