Rezension

Ein Vergleich mit Paula Hawkins

The Woman in the Window - A. J. Finn

The Woman in the Window
von A. J. Finn

Bewertet mit 2.5 Sternen

Die Werbung hat mich neugierig gemacht und die auf dem Cover aufgedruckte Zeile: „Astounding. Thrilling. Amazing“, ein Zitat von Gillian Flynn hat auch gezogen. Was kriegt man wohl dafür, wenn man seinen Namen für eine solche Bande hergibt?

Ich las vorurteilsfrei los, kam aber trotz einfachster Sätze nicht so recht ins Buch. Die Sätze sind kurz und sollen prägnant wirken, sie sind aber so umgangssprachlich gefasst, dass sie nicht mehr zur der Protagonistin, immerhin einer anerkannten Kinderpsychologin passen, der mehr Bildung besser zu Gesicht gestanden hätte.

Was fehlt in dem Roman ist „die Schmiere“, das Leichte, Lockere, Flüssige, das ich bei Paula Hawkins „Girl on the train“ und „Into the water“ so schätze. Der Zusammenhang, das Erzählerische. In aller Simplizität kann Sprache natürlich auch wunderschön sein, wenn sie zum Bespiel mit Hilfe von Bildern über das Leben nachdenkt oder Emotionen vermittelt. All dies ist im vorliegenden Roman nicht der Fall.

„The Woman in the Window" lebt vom Dialog, nicht vom Erzählerischen. So weit so gut. Ein sprachliches Plus sind gelegentliche Reime, Wortspielereien, die ich sehr mag.
Ich las in der Originalversion, deshalb weiß ich nicht, ob in der deutschen Übersetzung darauf Rücksicht genommen worden ist.

Die Figuren aber sind viel zu simpel aufgezogen. Wenig ausgeformt. Kann man sich bei Paula Hawkins völlig in eine Figur fallen lassen, gelingt einem das nicht so recht bei A.J. Finns Protagonistin Anna Fox. Sie ist zu eindimensional. Sie säuft und leidet an Agoraphobie und guckt gerne alte Filme. Das wars im Großen und Ganzen! Die wenigen anderen auftauchenden Personen mag man nicht einmal Handlungsträger nennen. Da ist ein Untermieter. Es gibt einige Nachbarn. Und es gibt den Fall.

Die Story selbst ist so alt wie die Steinzeit. So alt wie Methusalem. So alt wie die Klagemauer. Frau beobachtet Mord und keiner glaubt ihr. Der Plot selber ist ohne Unfälle durchgezogen und so weit logisch entwickelt. Die Geschichte Annas poppt in Rückblenden auf. Sie erkärt, warum Anna so ist wie sie ist. Wie gesagt, der Plot ist stringent. Dennoch bekommt Anna kaum mehr Lebendigkeit. Man hätte etwas mehr Hintergrund gebraucht, um innere Bewegung zu erzielen. Hawkins stellt ihre Figuren psychologisch glaubwürdig auf, man beschäftigt sich gerne mit ihnen. Anna aber ist langweilig.

Fazit: Alles in allem als erster Versuch tragbar, da der Plot konsequent verfolgt wird. Aber an Paula Hawkins Fälle und vor allem an die Atmosphäre, die sie in ihren Romanen zu entwickeln imstande ist und an ihre Figurenzeichnung kommt A.J. Finns „The Woman in the Window“ nicht im Entferntesten heran.

Kategorie: Krimi
Verlag: William Morrow, 2018 oder Blanvalet 2018