Rezension

Ein völlig untypischer Gerritsen - Dennoch sehr gut!

Totenlied
von Tess Gerritsen

Bewertet mit 4 Sternen

Schon der Anfang von Totenlied hat es in sich. Ich war zutiefst erschrocken über die Geschehnisse der ersten Seiten. Diese Szene hat mich allerdings auch regelrecht neugierig darauf gemacht, was mich wohl noch erwarten würde.
Tess Gerritsen schreibt wie gewohnt sehr flott und lässt immer eine gewisse Spannung in jede Seite einfließen. Sie lässt ihr Protagonisten abwechselnd erzählen. Zum Einen handelt es sich hier um Julia, um die es in der Gegenwart geht und um Lorenzo, der uns in der Vergangenheit die Geschehnisse berichtet. Erzählt wird im Wechsel in der Ich-Form (Julia) und auktorial (Lorenzo). Ich fand diese Art sehr gut gelöst und umgesetzt.
Man identifiziert sich sehr schnell mit Julia und leidet mit ihr mit. Was hat es nur mit diesem Lied auf sich, welches sie aus Italien mitbrachte und fortan zu Hause spielt? Ist dies wirklich daran Schuld, dass sie ihre Tochter nicht mehr wiederzuerkennen scheint?
Diese und noch viele andere Fragen stellt man sich als Leser dieses Buches.
"Totenlied" ist anders, als die anderen Bücher, die ich bisher von Tess Gerritsen gelesen habe. Es hat einen anderen Hintergrund, geht ins Geschichtliche und behandelt absolut keine Ermittlungsarbeit, a la Rizzoli und Isles. Wer dies also erwartet, wird vielleicht enttäuscht.

»Nichts sehen. Nichts hören. Nichts sagen. Dann hast du vielleicht eine kleine Chance zu überleben.«
Zitat aus: "Totenlied"

Besonders die Vergangenheit hat mich brennend interessiert. Hat Lorenzo vielleicht etwas mit dem Stück "Incendio" zutun? In welcher Verbindung steht er oder ein anderer zu diesem Lied? Fragen über Fragen stellt man sich, und muss lange auf eine Antwort warten, mit der ich nicht gerechnet hätte. Es hat mich erschreckt zu sehen, wie sich die Geschichte zu Zeiten des zweiten Weltkrieges entwickelte und dies, trotz dass ich natürlich darüber Bescheid wusste. Die Autorin hat dieses Thema behutsam in ihre Geschichte mit eingebaut, nimmt allerdings vor der Schrecklichkeit keinerlei Blatt vor den Mund und beschönigt somit überhaupt nichts.
Es hat mich zutiefst berührt zu lesen, wie es Lorenzo ergangen ist. Ich habe mit ihm gelitten und ihn, sowie seine Familie sehr tief in mein Herz geschlossen. Der weitere, stets spannende Verlauf, erschütterte mich.
Aber auch die Geschichte rund um Julia nimmt immer mehr an Fahrt auf, bis sich alles zu einem Ganzen verbindet. Als Leser hat man am Ende ein Aha-Erlebnis der Extraklasse. Ich habe mit der Lösung absolut nicht gerechnet und brauchte auch erst einmal eine ganze Weile, bis ich das alles verarbeitet und verdaut hatte.
Es gibt nur eine kleine Sache, die ich nicht so gelungen fand und dies spielte sich so ziemlich am Ende des Buches ab. Eine Entwicklung, die ins Politische geht, empfand ich als überflüssig, da sie nicht wirklich etwas mit der eigentlichen Geschichte zutun hatte.

Fazit:
Wer hier einen Thriller a la "Rizzoli & Isles" erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein, denn Tess Gerritsen behandelt in Totenlied eine völlig andere Geschichte, die es auf jeder Seite in sich hat und von Spannung lebt. Man findet sich sehr schnell in das Buch hinein und fiebert bei jedem Satz mit. Besonders die Kapitel aus der Vergangenheit haben mich sehr berührt und zutiefst erschüttert. Das Ende hat mich überrascht und absolut überzeugt. Lesen!
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