Rezension

ein wunderbares Buch

Die Geschichte der getrennten Wege - Elena Ferrante

Die Geschichte der getrennten Wege
von Elena Ferrante

Bewertet mit 5 Sternen

Den Lebensweg zweier Frauen zu verfolgen, und das in vier Bänden, das ist schon eine gewaltige Aufgabe. Elena Ferrante ist das bis zu diesem Band, es ist der dritte Band der Tetralogie, wunderbar gelungen. In diesem Band liegt der Hauptschwerpunkt auf der unterschiedlichen Entwicklung der beiden Frauen, Lenù und Lila. Und dem Umgang mit den daraus entstehenden Gefühlen. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist die politische Entwicklung Italiens in den 70er bis 90er Jahren, die Zeit der Umwälzungen, der Studentenunruhen und des Aufblühen des Kommunismus. Sorgsam beschreibt Ferrante die Hoffnungen, den Glauben und die festen Überzeugungen einer ganzen Generation. Den Glauben daran, etwas verändern zu können, die Hoffnung eine bessere, gerechtere Welt erschaffen zu können, den unbedingten Willen, alles dafür zu tun, zu opfern und wenn nötig Leib und Leben zu riskieren. Ich glaube, das war die letzte Generation, die wirklich überzeugt davon war, etwas in dieser Welt verändern zu können und zwar nicht nur in Italien sondern in der ganzen Welt. Wie zynisch, ungläubig und unflexibel sind doch die nachfolgenden Generationen geworden. Zurück zu den zwei beeindruckenden Frauengestalten. Aus einem schüchternen Mädchen wird einerseits durch die Heirat und andererseits durch ihren schriftstellerischen Erfolg eine selbstsichere junge Frau. Aus einer selbstbewussten, lebenslustigen Frau wird eine unzufriedene, unglückliche, schwer arbeitende Frau, die zur Liebe kaum noch fähig ist. Selbst ihr kleiner Sohn kann ihre Liebe nicht im nötigen Umfang bekommen. Beide Frauen haben immer noch unregelmäßig Kontakt miteinander, dabei werden die gesellschaftlichen Unterschiede immer deutlicher. Ein Beispiel findet man auf Seite 236 .Lila sagt zu Lenù: Du siehst aus, als wärst du einem dieser Gemälde entsprungen, du bist die feine Dame, und ich bin das Dienstmädchen. Elena Ferrante schreibt ihre Geschichten aus feministischer Sicht. Lenù, die Ich-Erzählerin, seziert die Situation der Frauen, unabhängig davon, welcher Generation sie angehören. Aber sie handelt nicht. Alle Entscheidungen, die sie trifft, und die die Außenwirkung einer feministischen Entscheidung zeigen, sind in Wirklichkeit persönliche spontane, meist unüberlegte Entscheidungen. Lila dagegen ist sich der persönlichen Entwicklung bewusst, geht weiter laut und unbeeindruckt ihren Weg, lebt ihre Enttäuschungen fast immer ungefiltert aus, aber sie bleibt sich treu. Und wieder ist es ein Mann, der die beiden Freundinnen vermutlich auseinander bringen wird.  Wie in den beiden vorherigen Romanen habe ich die genaue Sprache der Autorin sehr genossen. War begeistert von ihren Wortbildern, habe die fast cineastische Umsetzung ihrer Wortbilder geliebt. Ich freue mich sehr auf den vierten Band.