Rezension

Ein wunderbares Jugendbuch

Ghetto Bitch
von Gernot Gricksch

Bewertet mit 5 Sternen

Nele ist ein Mädchen, das recht beliebt ist in ihrer Schule. Sie geht mit Daniel, dem heißesten Typen ihrer Schule. 
Sie lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Timo in einer Schicki-Micki-Gegend und kümmert sich nicht um die, die in der Assi-Gegend wohnen. Zwischen ihr und denen liegen Welten.
Mit den Freundinnen shoppen gehen, zu Partys einladen und eingeladen werden ist genauso normal für sie wie das Besitzen einer eigenen Kreditkarte.
Das alles ändert sich an dem Tag, an dem ihr Vater einen tödlichen Unfall hat und ihnen nichts als Schulden hinterlässt. Da vermutet wird, dass es sich um Selbstmord handelte, zahlt auch die Versicherung keinen müden Euro.
Nele und Timo sowie ihrer Mutter bleibt nichts anderes übrig, als alles was geht, zu verkaufen und umzuziehen.
Eine Wohnung in der Assi-Gegend, das kann ja wohl nicht wahr sein! Aber anderes ist nicht finanzierbar. Sie schämen sich und verabschieden sich von ihrer ehemaligen Wohngegend und ihren Freunden mit der Lüge, dass sie nach Amerika gehen. Sie ziehen für immer einen Schlussstrich von ihrem bisherigen Leben und schauen nicht zurück.
Der Einzige, der mit dem Umzug keine Probleme hat, ist Timo. Er hatte Stress mit einem Schüler aus der Schule, der ihn erpresst und gemobbt hatte. Für ihn hat er noch ein besonderes Abschiedsgeschenk hinterlassen...

Nele, Timo und Henriette, ihre Mutter, ändern ihr Leben von einem Tag auf den anderen.
Sie müssen alles verlassen, was ihr bisheriges Leben ausmachte. Schule, Freunde, Haus, wirklich alles lassen sie hinter sich. Besonders schwer fällt Nele der Abschied von ihrem Freund Daniel. Aber auch er hat keinen Platz mehr in ihrem kommenden Leben.
Sie ziehen in eine Gegend, die sie die Assi-Gegend nennen. Eine Gegend voller Hartz IV-Empfänger, Kriminalität, Dieben und Mördern. So zumindest stellen sie sich ihr künftige Wohngegend vor. 
Der erste, der Anschluss an Freunde findet ist erstaunlicherweises Timo. Nele tut sich recht schwer, kommt sie doch leicht prinzessinnenhaft daher. Das einzige Mädel, das auf sie zugeht ist Ginny. Aber Ginny hat keine Vorzeigefigur und kleidet sich mehr als unvorteilhaft. Kann man mit so einer befreundet sein und vor allem, will Nele das?
Tja und dann ist da noch dieser süße Typ, Rick. Sie setzt sich in der Klasse neben ihn, aber er scheint unnahbar zu sein.

Nele ist ein verwöhntes Mädchen, das bis jetzt auf der Sonnenseite des Lebens stand. Keine Sorgen, keine Nöte, Geld war immer vorhanden und sie musste sich bei nichts einschränken. Als sich ihre Lebensumstände von einem Tag auf den anderen ändern, wird sie auch erwachsen. 
Die Einsicht, dass sie als verbliebene Familie ihr Leben ändern müssen, ist da, nur an der Umsetzung hapert es noch ein wenig.
Während ihr Bruder, der immer ein Einzelgänger war, schnell Anschluss findet, kann sie sich nicht dazu durchringen, den ersten Schritt auf die Mädels zuzugehen, die so ganz anders sind als sie.
Mit Vorurteilen behaftet steht sie einer Situation gegenüber, die von ihr nicht verschuldet wurde, die sie aber mit tragen muss.
Nele lernt und wächst über sich selbst hinaus. Sie wird ein Mädchen, das man mag. Sie wird Entscheidungen treffen, die zeigen, wie stark sie sich verändert hat.

Aber auch Timo sieht sich Situationen gegenüber, die er irgendwann nicht mehr beherrschen kann. Er ist froh, seinem alten Umfeld entkommen zu sein und fühlt sich schnell wohl im neuen. Dort lauern andere Probleme auf ihn, denen er sich stellen muss.

Beide, Nele und Timo sind zwei Protagonisten, die über sich selbst hinauswachsen und die man einfach mögen muss. Sie nehmen ihr Schicksal an und werden darüber erwachsen.

Vom Autor Gernot Gricksch kannte ich bislang nur die beiden Bücher über die Kirschkernspuckerbande. Nun war ich natürlich gespannt, wie er sich bei einem Jugendbuch lesen wird. 
Ich muss sagen, ich bin regelrecht begeistert. Er konnte sich sehr gut sowohl in das Leben der "Schicki-Micki-Nele" hineinversetzen wie auch in das der "Assi-Nele". Beide sind ausgesprochen glaubhaft wiedergegeben, so dass man auch als Leser das Gefühl hatte, man war bei beiden immer anwesend.
Obwohl ich jetzt wirklich nicht mehr zur Zielgruppe der Leser gehöre, fühlte ich mich mit dem Buch bestens unterhalten.
Ich habe mit Nele und Timo ihr Leben verfolgt, habe mit ihnen gelacht und geliebt und auch all die negativen Dinge, die sie überrollten, miterlebt.

Für dieses Buch spreche ich eine klare Leseempfehlung aus.