Rezension

Ein wunderbares und wichtiges Buch

Mein Name ist nicht Freitag - Jon Walter

Mein Name ist nicht Freitag
von Jon Walter

Wie wertvoll Freiheit ist, erfährt man wahrscheinlich erst, wenn sie einem genommen wird. Damit meine ich nicht unbedingt, dass jemand eingesperrt oder in Ketten gelegt wird. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man jemanden in seiner Freiheit einschränken kann und einige wirken im Vergleich eher harmlos. Samuel die literarische Hauptfigur aus „Mein Name ist nicht Freitag“ wurde in eine Welt geboren, in der er jeden Tag aufs Neue gegen Rassismus, Diskriminierung und Verachtung zu kämpfen hat. Sein Glaube an einen gerechten Gott ist jedoch unerschütterlich, auch nachdem er in die Sklaverei verkauft wurde und fortan auf einer Plantage in Mississippi schwerste körperliche Arbeiten verüben muss. Auf der Plantage interessiert sich niemand für Samuels Wohlergehen. Es interessiert auch niemanden, dass er vorher ein freier Mensch war und lesen und schreiben kann. Auch nicht, dass Samuel einen kleinen Bruder hat, der darauf wartet, dass beide wieder vereint sind.

In „Mein Name ist nicht Freitag“ von Jon Walter begleiten wir Leser einen Jungen auf einer für ihn sehr schwierigen Reise. Wir erleben, wie er von dem Rest seiner Familie - seinem Bruder - getrennt wird und bekommen eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, die eigene Identität zu verlieren. Wir durchleben mit Samuel schwere Zeiten auf den Feldern der Plantage und fürchten uns vor dem sich bedrohlich nähernden Krieg, der zugleich die Hoffnung auf Freiheit und ein Wiedersehen mit sich bringt.

Es ist eines, wenn man harte Fakten und nackte Zahlen über den Amerikanischen Bürgerkrieg im Geschichtsunterricht vermittelt bekommt. Und noch ein anderes, wenn man durch die Lieblingsserie der Mutter den ersten sichtbaren Kontakt zur Sklaverei bekommt, welche nichts anderes ist, als ein romantisiertes Setting einer leidenschaftlichen und dramatischen Liebesgeschichte. Der Geschichtsunterricht hat mir ein sehr starres Bild und einen distanzierten Blick auf diese Ereignisse vermittelt. Die damalige Lieblingsserie meiner Mutter - „Fackeln im Sturm“ - hat meinen Blick auf die Geschehnisse während des Sezessionskriegs zusätzlich verklärt. Einen viel intensiveren und vielschichtigeren Einblick bekam ich durch Samuels Geschichte, denn er zeigte mir, wie ahnungslos und verblendet ich war.

Erschreckend war es für mich zu erleben, mit welchem Hochmut viele Weiße in dieser Geschichte agieren. Für sie war es eine Tatsache, dass sie die wertvolleren Menschen sind und die Farbigen einfach nicht in der Lage für sich selbst zu sorgen, weil sie nicht die entsprechende Intelligenz besitzen. Ohne ihr Zutun wären sie längst verhungert. Wenn man sich bei all diesem Hochmut dann noch eine Religion zunutze machen kann, weil sich viele Aussagen anders deuten und auslegen lassen, braucht man auch keine Entschuldigungen mehr, weil man Menschen entrechtet, ihnen die Freiheit und die eigene Identität nimmt, um sie auf Plantagen zu knechten.

Samuels Geschichte handelt aber nicht nur vom Verlust der eigenen Freiheit, der Sklaverei und dem Sezessionskrieg. Die Handlung lebt vor allem von seinem unerschütterlichen Glauben, der tief in ihm verankert ist. Samuel sieht in vielen Ereignissen eine neue Herausforderung, der er sich bedingungslos stellt. Und manchmal werden wir Leser Zeugen von kleinen Wundern und für diese Zeit unmögliche Freundschaften. 

Jon Walter hat mir mit „Mein Name ist nicht Freitag“ ein unerwartetes Lesevergnügen bereitet. Unerwartet, weil ich kein Liebhaber historischer Romane bin. Durch die Bildgewalt vieler so lebendig wirkender Kulissen, die Vielschichtigkeit der Themen und einer herausragenden literarischen Figur, konnte Walter mich für sein Buch gewinnen. Anfangs hatte ich jedoch einige Bedenken. Samuel ist dem Leser auf eine ungewöhnliche Weise sehr nah, deswegen hatte ich Angst vor verstörenden Ereignissen, die ich womöglich zu intensiv erleben würde. Doch Samuel ging sehr behutsam mit mir vor und durch seine Sicht auf die Welt und seinen festen Glauben, wirkten die Begebenheiten für mich nie zu bedrohlich oder hoffnungslos. Sehr überraschend empfand ich den Stil des Autors, denn ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, dass Jon Walter die Geschehnisse nicht bewertet. Vielmehr lässt er den Leser entscheiden, was richtig oder falsch ist, indem er Samuel seine Geschichte erzählen lässt. 

Die Sklaverei scheint überwunden doch der Rassismus ist geblieben. Aus diesem Grund sind Geschichten wie „Mein Name ist nicht Freitag“ so wichtig und ich möchte jedem dieses wunderbare Buch ans Herz legen.

 

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