Rezension

Ein wunderschöner Roman über das Weiterleben

Wie ein Stern in der Nacht - Kristin Hannah

Wie ein Stern in der Nacht
von Kristin Hannah

Bewertet mit 4.5 Sternen

Handlung:
Über 30 Jahre lang waren Tully und Kate allerbeste Freundinnen, grundverschieden und doch unzertrennlich. Dann entzweite sie ein erbitterter Streit - und Kate nahm erst zwei Jahre später wieder Kontakt auf, als sie an Krebs erkrankt im Sterben lag. In den letzten Stunden vor ihrem Tod bat sie Tully, sich um ihren Mann Johnny und die drei Kinder zu kümmern, besonders die 16-jährige Marah.

Vier Jahre später ist Tully Alkoholikern, Marah ist von zuhause ausgerissen und Johnny steht vor dem Scherbenhaufen seiner Familie. Sie alle haben mit Kate ihre Stütze, ihre Orientierung im Leben verloren und wissen nicht, wie es ohne sie weitergehen soll. Dann hat Tully im volltrunkenen Zustand einen Unfall und fällt ins Koma - wo die Erinnerung an Kate sie am Leben erhält...

Meine Meinung:
"Wie ein Stern in der Nacht" ist vor allem ein Buch über die vielen Arten der Liebe, die das Leben erst lebenswert machen. Und es ist ein Buch über die Trauer und das Weiterleben, auch wenn es nicht möglich scheint. Im Mittelpunkt der Geschichte steht unsichtbar und doch stets präsent die Erinnerung an Kate, auch noch Jahre nach ihrem Tod. Weder ihr Ehemann Johnny, noch ihre beste Freundin Tully oder ihre Tochter Marah können den Schmerz loslassen, können ihren Tod als etwas anderes sehen als den ultimativen Verlust der wichtigsten Liebe in ihrem Leben. Haltlos, hilflos versuchen sie, das eigene Leben wieder zusammenzusetzen, aber es erscheint ihnen, als könne das niemals gelingen, weil das wichtigste Puzzleteil fehlt...

Im Grunde ist es ein realistisches Buch. Als Tully ins Koma fällt, kommt jedoch ein leises spirituelles Element dazu - wobei es dem Leser überlassen bleibt, wie er es interpretiert, was er glauben möchte und was nicht. Das hat mir gut gefallen - die Autorin gibt nicht alles vor sondern traut dem Leser zu, selber zu seinen eigenen Schlüssen zu kommen.

Die angesprochenen Themen werden ernsthaft und einfühlsam behandelt, und trotz aller Trauer und allem Verlust war das Buch für mich nicht deprimierend, sondern hatte einen unterschwelligen Hauch von Hoffnung. Man weiß als Leser einfach, dass es doch bald besser werden muss, und dieser Gedanke lässt einen immer weiterlesen und mitfiebern. Das Buch bleibt auch dann spannend, wenn es sich auf die Emotionen, Wünsche, Hoffnungen und Ängste der handelnden Personen konzentriert und eigentlich gerade nicht viel passiert.

Und das lag vor allem an den Charakteren, die einem so komplex und vielseitig entgegentreten wie echte Menschen. Keiner ist perfekt, keiner ist 100%ig gut oder böse - so einfach ist das weder im Leben noch in diesem Buch. Die Geschichte wird abwechselnd aus Tullys, Johnnys und Marahs Sicht erzählt (gegen Ende auch aus Sicht von Tullys Mutter Dorothy), und oft sieht man ein bestimmtes Ereignis aus Sicht einer Person, und dann später im Buch noch einmal aus Sicht einer anderen - und es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die gleiche Begebenheit wirken kann! Hinter einem Verhalten, das egoistisch, gedankenlos und geradezu grausam wirkt, stecken dann zum Beispiel die allerbesten Absichten und sogar selbstlose Liebe.

Manchmal hätte ich so gerne mit den Charakteren gesprochen und ihnen gesagt: es ist doch alles ganz anders! Sprecht miteinander! Aber es ist leider nur zu realistisch, dass man sich manchmal vorschnell eine Meinung bildet und nicht wirklich über seine eigene Sichtweise hinausblicken kann.

Erst gegen Ende des Buches, wo näher auf die Geschichte von Tullys Mutter eingegangen wird, wurde mir die Vielfalt der angesprochenen und meist traurigen Themen etwas zuviel. Verlust, Verrat, Co-Abhängigkeit - und jetzt auch noch das? Andererseits fand ich gut, dass auch Dorothy eine Stimme bekommt, dass sie nicht bis zum Ende der Geschichte einfach nur die böse Mutter ist, die ihr Kind im Stich gelassen hat.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Auch in traurigen oder dramatischen Szenen vermeidet die Autorin Schwulst und Kitsch - der Schreibstil bleibt klar, deutlich und dennoch eindringlich. Er vermittelt Emotionen, ohne übertrieben rührselig zu werden.

Fazit:
"Wie ein Stern in der Nacht" ist ein emotionales, wunderbares Buch über Verlust, Trauer und die Kraft, weiterzuleben. Drei ganz unterschiedliche Charaktere, die den gleichen Menschen verloren haben, erzählen uns eine Geschichte voller Missverständnisse, Umwege, Verrat, Vergebung - und voller Liebe.