Rezension

Ein Wutbuch, das seinem Anliegen SO nicht dienen kann

Muttertier - Birgit Kelle

Muttertier
von Birgit Kelle

Bewertet mit 3 Sternen

Als ich erfuhr, dass dieses Buch über die Rolle der Mutter in unserer Gesellschaft von Birgit Kelle ist, der Frau von Klaus Kelle (Autor von "Bürgerlich, christlich, sucht..."), war ich Feuer und Flamme. Durch die politischen Ansichten des Autors glaubte ich, dass ich in der Familie Kelle Verwandte im Geiste gefunden hatte und als Mutter, die selbst immer mit ihrem Rollenbild und ihren Ansprüchen an sich selbst zu kämpfen hat, musste ich das Buch einfach lesen.

Der Untertitel des Buches 'Eine Ansage' ist Programm. Ohne sich um die Gefühle anderer zu scheren, legt Birgit Kelle dar, was falsch läuft in unserer Gesellschaft. Ziemlich eindrucksvoll fasst sie zusammen, an wieviel unterschiedlichen Fronten Wirtschaft und Politik daran arbeiten, die Rolle der Familie zu schwächen und insbesondere die Bindung einer Mutter zu ihren Kinder zu bagatellisieren. Letztlich geht es beiden nur darum, die Frau als Arbeitskraft so schnell wie möglich wieder ins Hamsterrad Berufswelt zu bekommen. Rhetorisch ist sie dabei mitunter schlicht genial. In wenigen Sätzen schafft sie es, durch absurde Nebeneinanderstellungen und bissige Ironie, dem Leser die Augen zu öffnen und ihn in ihre Wut miteinstimmen zu lassen.

Leider lässt es Birgit Kelle nicht aus, in ihren Tiraden auch ordenltich Seitenhiebe zu verteilen. Welche mir besonders negativ aufgefallen sind: die gegen homosexuelle Paare. Die Seitenhiebe sind keine direkten Angriffe und auch nicht als solche gedacht, lesen sich aber mit einem ziemlich faden Beigeschmack. Sie könnte Leihmutterschaft (als Beispiel) auch per se kritisieren, ohne eine bestimmte Bevölkerungsgruppe mit hineinzuziehen. Aber indem sie diese als Hauptnutznießer der kritisierten Praxis nennt, gibt sie ihnen indirekt die Schuld daran und stellt sie als Meschenhändler dar. Das ist einfach ungeschickt. Die Autorin fordert (vollkommen berechtigt!) mehr Toleranz für Frauen, die ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben durch die Wahl eines Familienlebens einfordern, legt aber gegenüber Personen, die sich offen gegen ein traditionelles Familienbild stellen, keinerlei Toleranz an den Tag.

Meine Befürchtung ist, dass der schroffe Tonfall des Buches viele Leser abschreckt und die Diskussion über das Buch bestimmen wird, wobei die Inhalte sehr viel diskussionswürdiger wären. Alles, was Frau Kelle über die Mutterrolle sagt (z.B. dass sie anstatt zu fragen 'Wie viel Mutter braucht ein Kind?' auch mal sinniert, wie es denn anders herum aussieht) spricht mir aus der Seele und wie in unserer Gesellschaft systematisch gegen dieses gelebte Glück gearbeitet wird, macht mich wütend. Wäre Frau Kelles Buch etwas weniger reißerisch aufgemacht, sie könnte dank ihrer Art zu schreiben Massen überzeugen. So liefert sie Kritikern aber zu viel Angriffsfläche um das Buch zu verteufeln, ohne den Inhalt zu bewerten. Schade.

Das Cover finde ich übrigens unmöglich. Für Familie und gegen Karrierefrauen zu schreiben, sich dann aber als genau so eine zu präsentieren ist schlicht inkonsequent und schwächt die eigene Position. Etwas Familie hätte dem Cover gut getan.