Rezension

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Einbildung oder Realität?

Die Zelle - Jonas Winner

Die Zelle
von Jonas Winner

Vielen Dank an den Autor für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars :)

 

Der Inhalt...

Sammy zieht mit seiner Familie von London nach Berlin, in eine alte Jugendstilvilla. Bei einem Spaziergang durch den verwinkelten Garten macht der Elfjährige in einem alten Luftschutzbunker eine äußerst verstörende Entdeckung: Ein verängstigtes Mädchen, nicht viel älter als er, wird dort in einer Art Gummizelle gefangen gehalten. Am nächsten Tag will Sammy Hilfe holen, doch zu spät – das Mädchen ist weg und die Zelle komplett leergeräumt. Wer steckt dahinter? Wo ist das Mädchen? Und was hat Sammys eigener Vater mit der ganzen Sache zu tun?

Die Charaktere...

Fangen wir doch mal mit dem elfjährigen Sammy an. Im Grunde genommen ist er ein lieber und netter Junge, der sich unwohl in dem viel zu großen Haus und der neuen Umgebung fühlt. Er hatte durchaus Potenzial für einen sympathischen Charakter, mit dem man mitfiebert. Was hat mich dann gestört? Ich kann es gar nicht genau sagen... aber teilweise fand ich Sammy einfach anstrengend. Einerseits verhielt er sich in Gegenwart von seiner Familie wie ein Kleinkind, war aber in anderen Situationen so furchtbar erwachsen (Wie er zum Beispiel mit Hannah über das „auf sein Zimmer gehen“ sprach); ich konnte ihn dadurch leider nicht richtig ernst nehmen. Ich fand auch sein Verhalten seinem Vater gegenüber mehr als komisch. Er hatte Angst vor ihm, will ihn aber nicht alleine lassen? Er ist sich sicher, dass sein Vater „Yoki“ gefangen gehalten hat, aber jedes Mal wenn man ihn darauf anspricht SAGT er, dass sein Vater nichts getan hat, DENKT aber immer etwas anderes...? Logik? (Spoiler Anfang) Mir ist schon klar, dass Sammy eine psychische Störung hat (schließlich hat er Marina ermordet), aber ich finde einfach ALLES Unlogische damit in einem Thriller zu erklären – damit macht man es sich ganz schön einfach. (Spoiler Ende) Ich hatte das Gefühl dadurch, dass Sammy nicht so richtig wusste, was er jetzt glauben sollte, tappte die Geschichte insgesamt etwas auf der Stelle. Immer wieder rief sich Sammy in Erinnerung, dass er das asiatische Mädchen wirklich gesehen hat, hatte dann aber nicht, bzw. erst ziemlich spät, auch die „Eier“ in der Hose es mal laut auszusprechen. Selbst seiner Mutter gegenüber verhielt er sich seltsamerweise verschlossen. Einerseits kann ich es verstehen, weil am Ende alle nur noch gedacht haben, dass Sammy totalen Schwachsinn erzählt, aber so eine große Sache immer nur in sich „hineinzufressen“ ist auch keine gute Lösung.

Generell fand ich Sammys Eltern sehr unsympathisch. Sie wirkten auf mich als seien sie in erster Linie nur an ihrer Karriere interessiert als an ihren Kindern, besonders bei der Mutter hatte ich so das Gefühl. Ständig blieb sie wegen ihrer Auftritte über Nacht „in der Stadt“, und wenn sie dann mal da war, pumpte sie sich Schlaftabletten rein und versuchte den Alltag auszublenden. Und Sammys Vater kriegt auch nicht gerade eine Urkunde als Daddy des Jahres.Tag für Tag verschanzt er sich in seinem Büro um seine gruseligen Partituren zu Ende zu schreiben und ignoriert seine Familie dabei gekonnt. (Spoiler Anfang) Auch seine Sichtweise zu Sammys Krankheit ging mir gehörig auf den Strich: Ups, der Junge hat wohl einen an der Klatsche... Naja, dann pumpen wir ihm ein paar Medikamente und Therapiestunden rein und dann läuft der Hase schon wieder! Ein bisschen naiv ist diese Vorstellung schon! (Spoiler Ende) Falls man die Eltern nicht mögen SOLLTE, dann Applaus! Ich fand die beiden echt schrecklich!

Von Linus, Sammys Bruder, war ich auch echt enttäuscht. Schade, dass Geschwisterliebe heutzutage anscheinend keinen hohen Rang mehr hat. Wahrscheinlich ist es aber auch nur die bittere Wahrheit, die in den Familien abgeht... Wenn ich so auf mich und meine Schwester blicke... Wir haben uns auch ordentlich gezankt ;). Hannah, konnte ich wenigstens am Anfang noch gut leiden. Ich dachte so: Hey, wenigstens EINE die halbwegs normal ist! Tja, Pustekuchen. Lasst euch da mal überraschen! Ich dachte jedenfalls nur eins: Dass sie ein echtes kleines Miststück ist!

Insgesamt war ich von der Intensität der Charaktere etwas enttäuscht. Außer der Vater und natürlich Sammy selbst blieben die meistens relativ blass und farblos. Ich hatte mir mehr Gedanken, Gefühle und Infos über sie gewünscht; außer Größe, Haarfarbe und ein paar Charakterzüge. Aber naja, wahrscheinlich wäre das Buch dann auch um einiges dicker gewesen...

Die Geschichte...

… war im Grunde genommen ganz spannend. Ich lese nicht allzu häufig Thriller, weswegen ich nicht so „geschult“ bin, aber ich finde, dass sich alles relativ schlüssig aufgeklärt hat. Ich muss dazu aber sagen, dass ich das Ende dann doch etwas unspektakulär fand. Ich meine Fleischwölfe, Killer-Hunde und Visionen von Toten die aus Gräbern steigern, und dann das?! Fand ich dann doch irgendwie ZU einfach... Ich hab mir am Ende noch eine ganz andere Wende gewünscht; etwas bei dem man letztendlich denkt: Also damit hab ich jetzt nicht gerechnet! Keine Ahnung.. Ich muss auch gestehen, dass mir zum Schluss noch ein paar Fragen zu Yoki und wer ihr wahrer Täter war offen blieben... Da wurde ich etwas verwirrt und mit einem dicken Fragezeichen zurückgelassen. Oder habe ich nicht aufmerksam genug gelesen?

Vielleicht bin ich in diesem Genre auch einfach zu ungeübt oder schlecht zu begeistern, eben weil ich es nicht so häufig lese? Ich kann es sehr schlecht sagen, aber Fakt ist: Mir hat irgendetwas gefehlt. Das große Ganze war für mich dann leider nicht stimmig genug. Vielleicht lag es auch daran, dass der Anfang etwas schleppend begann? Ich hatte das Gefühl nicht richtig in die Geschichte reinzukommen. Mir wurde zu viel über Berlin, Luftschutzbunker und die Anreise der Familie erzählt bis mal endlich ein bisschen Grusel dazu kam. Eine Sache muss ich aber mal definitiv loben: An der Grundstimmung hat es nicht gefehlt! Gänsehaut ist auf jeden Fall vorprogrammiert, vor allem bei den Passagen, in den der (ich nenne ihn/sie jetzt mal so) Psychopath sein Unwesen treibt. Da ist es mir das ein oder andere Mal wirklich eiskalt den Rücken runtergelaufen...

Der Schreibstil...

Da hab ich nichts zu meckern. Leicht und Flüssig zu lesen. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Besonders die abwechselnde Perspektive, einmal aus Sammys Sicht und einmal aus der Sicht des Täters haben mir gut gefallen. Sowas mag ich in Thrillern sehr gerne. Und das Ende in diesem Protokoll-Stil fand ich eine sehr gelungene Art, das Buch enden zu lassen!

Das Fazit...

Konnte mich leider nicht von den Socken hauen. Die Charaktere konnten nicht hundertprozentig punkten und das gewisse Etwas hat auch gefehlt. Vielleicht ist das aber auch einfach nicht mein Genre. Ich würde das Buch Thriller-Liebhabern aber trotzdem empfehlen. Ich denke, dass es auf jeden Fall gut unterhält!