Rezension

Eindringlich, authentisch und träumerisch schön!

Wer die Lilie träumt - Maggie Stiefvater

Wer die Lilie träumt
von Maggie Stiefvater

*Worum geht's?*
Blue, Adam, Gansey und Ronan kommen ihrem Ziel stetig näher: Sie finden immer mehr Hinweise auf den Ort, an dem der Rabenkönig Glendower verborgen liegt. Vor allem Ronans Fähigkeit, Gegenstände herbeizuträumen, könnte ihre Suche auf die entscheidende Spur lenken. Doch Ronan ist nicht der Einzige in Henrietta, der diese besondere Fähigkeit besitzt, und plötzlich beginnen die Ley-Linien zu schwächeln. Der magische Ort Cabeswater verschwindet spurlos und stellt Blue und die Raven Boys vor ein Rätsel. Das Spiel mit den Träumen ist gefährlicher als geahnt, denn auch Ronans Albträume finden ihren Weg in die Wirklichkeit...

*Meine Meinung:*
Mit „Wer die Lilie träumt“ geht die „Raven Boys“-Reihe von Maggie Stiefvater endlich, endlich, endlich weiter. Sehnsüchtig, wenn auch etwas skeptisch habe ich auf den neuen Band aus der Feder meiner Lieblingsautorin gewartet, denn der Auftakt ihrer neuen Serie hatte mich nicht so sehr begeistern können wie ihre anderen Bücher. Während ich in „Wen der Rabe ruft“ große Schwierigkeiten damit hatte, einen Zugang zu der Geschichte und den Charakteren zu finden, fand ich mich diesmal trotz der langen Lesepause zu meiner eigenen Überraschung recht mühelos wieder in die Welt der „Raven Boys“ hinein. Ein paar kleine Erinnerungsstützen der Autorin und kurze Rückblicke der Charaktere reichten völlig aus, um mich nach wenigen Seiten wieder wie Zuhause zu fühlen.

Maggie Stiefvaters Bücher leben von einer sagenhaften Atmosphäre, die einem das Gefühl geben, mitten in reale Legenden abtauchen zu dürfen. Das ist auch bei „Wer die Lilie träumt“ nicht anders. Maggie Stiefvater beweist mal wieder meisterhaft, dass sie eine wahre Künstlerin ist. Sie entführt ihre Leser in einzigartige Welten, wie man sie noch nie zuvor bereisen durfte, lässt sie Abenteuer miterleben, die mitreißender kaum sein könnten, und fesselt sie mit einer Wortgewalt an ihre Seiten, vor der man nicht entfliehen kann (selbst wenn man es wollte!). Maggie Stiefvater schreibt mit Herzblut und Kreativität wie keine Zweite. Ihre Geschichten faszinieren, verzaubern, begeistern – und genau das schafft auch „Wer die Lilie träumt“ mit Leichtigkeit. Ich habe diese Geschichte nicht nur gelesen, sondern mit ganzem Herzen geträumt. Ich habe jedes Wort inhaliert, sodass „Wer die Lilie träumt“ viel zu schnell schon wieder ausgelesen war.

Ganz kritisch betrachtet muss ich zugeben, dass „Wer die Lilie träumt“ den Haupthandlungsstrang der Buchreihe nur mäßig vorangetrieben hat. Was Blue und die „Raven Boys“ während der 500 Seiten erleben und entdecken, hätte auch in wesentlich kürzerer Zeit erzählt werden können. Maggie Stiefvater verfolgt den roten Faden ihrer Buchreihe nicht konsequent, sie webt auch viele neue Handlungsstränge in ihr dichtes Geschichtennetz, die nicht immer etwas mit der Suche nach Glendower zu tun haben. Während andere Autoren sich auf diese Weise häufig in langatmigen Belanglosigkeiten verstricken, macht Maggie Stiefvater ihren Roman erst durch diese vermeintlichen Nebensächlichkeit so besonders. Sie beschränkt sich eben nicht bloß auf ihren Plot, den sie erzählen will. Sie geht auf intensive und eindringliche Art auf ihre Charaktere ein, haucht ihnen Leben ein und schildert mit viel Liebe zum Detail, was ihre Figuren fühlen, denken, erleben. „Wer die Lilie träumt“ hat durchaus auch einige sehr spannende Momente, doch die ruhige und bedeutungsvolle Ebene ihres Romans stets deutlich im Vordergrund. Ich liebe den Erzählstil der Autorin und für mich war „Wer die Lilie träumt“ nicht ein Wort zu lang.

Diesmal steht vor allem der mysteriöseste und geheimnisvollste der „Raven Boys“ im Vordergrund des Geschehens: Ronan – mit all seinen Facetten und Geheimnissen. Maggie Stiefvater hat Ronan eine einzigartige, komplexe Hintergrundgeschichte gestrickt, die ihn zu einem außergewöhnlichen und überzeugenden Charakter macht. Seine Fähigkeit, Dinge herbeizuträumen, die sich bereits im ersten Band angekündigt hat, bestimmt die Geschehnisse in „Wer die Lilie träumt“ und rückt Ronan – sehr zu meiner Freude – damit ganz klar in den Fokus des Romans. Maggie Stiefvater erlaubt ihren Lesern tiefe Einblicke in Ronans Gedanken und Gefühle, die ihn als Figur greifbarer und authentischer, aber auch interessanter machen. Mit diesem Band hat sich Ronan ganz klar als mein liebster „Raven Boy“ herauskristallisieren können! Trotz der vielen Dinge, die man über ihn erfährt, verlässt einen niemals das Gefühl, dass in Ronan noch viel, viel mehr steckt – und damit gibt die Autorin ihren Lesern mehr als nur einen Grund für weitere Spekulationen.

Die anderen Charaktere rücken durch Ronan leider ein wenig in den Hintergrund. Dies ist allerdings nur indirekt die Schuld der Autorin, denn Maggie Stiefvater schenkt auch Blue, Adam und Gansey einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit! Auch sie haben ihre mehr oder weniger glanzvollen Momente, die sie sowohl auf ihrer geheimnisvollen Suche nach Glendower als auch in ihren eigenen Charakterentwicklungen voranbringen. Nichtsdestotrotz stellt Ronan sie alle in seinen Schatten. Gegen ihn und seinen Teil der Geschichte kommt keine andere Figur heran: weder Adam, der sich durch sein Opfer wesentlich zu verändern beginnt, noch Blue und Gansey, die ihre Gefühle füreinander nicht mehr lange ignorieren können. Einzig Noah, den man in „Wer die Lilie träumt“ ganz anders wahrnimmt als noch in „Wen der Rabe ruft“, geht in diesem Buch ein wenig verloren – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hoffe sehr, dass Maggie Stiefvater den scheuen Jungen im dritten Band wieder häufiger herumspuken lässt.

*Fazit:*
Maggie Stiefvater schafft es immer wieder, mich mit ihren Büchern zu begeistern. Auch „Wer die Lilie träumt“, der zweite Band der „Raven Boys“-Serie, hat mich mit der dichten, malerischen Atmosphäre, den starken Charakteren und den lebendigen Handlungssträngen überzeugt. Da die Autorin in diesem Band Ronan besonders viel Aufmerksamkeit schenkt, hat mir „Wer die Lilie träumt“ sogar noch ein bisschen besser gefallen als der Auftakt der Reihe. Ich habe jedes Wort inhaliert, konnte mich in keiner freien Minute von der Geschichte losreißen – und so war das eindringliche und authentische Leseerlebnis viel zu schnell schon wieder vorbei. Nach der letzten Seite muss ich mich nun leider der typischen „Stiefvater-Depression“ stellen, die mich nach jedem ihrer Bücher befällt. Mit Blue und den „Raven Boys“ nach Glendower zu suchen macht das eigene Leben so viel schöner und spannender – hoffentlich lässt die Fortsetzung nicht allzu lange auf sich warten! Für „Wer die Lilie träumt“ vergebe ich gute 4 Lurche.