Rezension

Eindrucksvoll bedrückend

Fat City - Leonard Gardner

Fat City
von Leonard Gardner

Bewertet mit 5 Sternen

„Wenn jemand sagt, er geht jetzt nach FAT CITY, heißt das, er stürzt sich jetzt in das pralle Leben. Der Titel ist natürlich ironisch: FAT CITY ist das bekloppte Ziel, das niemand je erreichen wird.“ - Leonard Gardner

Stockton, Kalifornien in den 50ern. Billy Tully und Ernie Munger leben am unteren Rand der Gesellschaft, kommen so gerade über die Runden. Wenn es kneift, hilft ein kurzfristiger Erntejob. Das schnelle Geld, Ruhm und Ehre erreicht man durch Boxkämpfe, wenn man begabt ist und keine Scheu vor Schmerzen oder Verletzungen hat. Während Tully nach längerer Auszeit ein Comeback versucht, fällt Ernie als hoffnungsvolles neues Talent auf. Als Weißer ist man etwas Besonderes in der Szene. 

Sehr atmosphärisch wird hier das Leben dieser beiden Männer geschildert. Tristesse und Ausweglosigkeit spricht aus jeder Zeile. Sie haben Träume, aber das Leben steht ihnen im Weg. Ein bisschen mehr Elan oder die richtige Frau, schon wäre alles anders. Aber wie soll man sich aufraffen, wenn man am Boden liegt? Nur wenige schaffen das. Tully hatte es geschafft, bis ihm der Alkohol dazwischen kam und ihn seine Frau verließ. 
Ernie könnte es schaffen, aber Frau und Kind sind ein Klotz am Bein, oder vielleicht doch ein Anker?

„Fat City“ ist eine eindrucksvolle Milieustudie. Die plastische, authentische Sprache vermittelt Atmosphäre und Zeitkolorit. Man ist ganz nah dran und leidet mit diesen Männern, die in ihrer Situation gefangen sind. Sieht, wie sie sich selbst etwas vormachen, hoffen, aber dann doch wieder scheitern. 
Genial sind die Dialoge, die auf nahezu absurde Weise zeigen, wie man aneinander vorbeireden kann und was für verhängnisvolle Folgen es haben kann, wenn ein Wort das andere gibt. Eigentlich heiratet Ernie nur aus Versehen. 

Dieses Buch ist nicht einfach, das Lesen sehr bedrückend, aber es ist auch eine lohnenswerte Reise in ein Stückchen Amerika der 50er, das nicht so oft besucht wird und ein Blick in allzu menschliche Tragödien. Am Ende ist man mitgenommen, aber man nimmt auch etwas mit.

Kommentare

LySch kommentierte am 12. Mai 2017 um 10:05

Allein vom Cover und der Beschreibung her hätte mich dieses Buch nicht angesprochen... Aber deine tolle Rezi macht echt neugierig! ;) Super!

Sursulapitschi kommentierte am 12. Mai 2017 um 10:33

Vielen Dank!

Ja, das Thema ist schon sehr speziell und zwischendurch dachte ich auch: Will ich das lesen? Aber das kann man dem Buch nicht ankreiden. Es ist ein gutes Buch.