Rezension

Eindrucksvoll & magisch

Der Mann, der den Regen träumt - Ali Shaw

Der Mann, der den Regen träumt
von Ali Shaw

Nachdem ich "das Mädchen mit den gläsernen Füssen" schon zauberhaft fand, habe ich für diesen Roman nur noch ein Wort übrig: Magisch. Wieder einmal beweist der Autor nicht nur eine wunderbare Vielfalt an Ideen, unglaublich viel Fantasie, Talent für emotionale und bildgewaltige Momente, sondern auch einen unvergleichlichen Schreibstil, der mich sofort in die Geschichte gesogen hat.

Die detailreiche Beschreibungen von Ereignissen und Kulissen sind zum einen geradezu poetisch, zum anderen wirkt dies aber niemals schwerfällig. Der Schreibstil zeugt von einem reichen Wortschatz und einem treffsicheren Wortgebrauch, sodass eindrückliche Bilder entstehen und dem Geschehen ein unglaublich reales Leben einhauchen. Es scheint mir fast unmöglich, als Leser diesem Sog in das Buch, dieser starken Strömung des Geschichtsflusses widerstehen zu können. Schnallt euch eine Schwimmweste um und lasst euch von dieser Erzählung mitreissen, denn diese Gewässer gründen eindeutig tief.

Elsa und Finn sind kein gewöhnliches Paar und das nicht nur, weil Finn nicht gewöhnlich ist. Sie verbindet etwas Unerklärliches, das auch mit der Vergangenheit von Elsa und ihrem Vater in Verbindung steht. Wer auf eine romantische Liebesgeschichte hofft, muss ich allerdings enttäuschen. Trotz Momenten schöner Zweisamkeit, liegt der Fokus nicht auf ihrer Liebe an sich, sondern auf ihr Kennenlernen, ihrer ersten Annäherungen, dem Gefühlschaos und dem Geheimnis rund um Finn. Ausserdem mischen weitere wichtige Figuren, wie zum Beispiel Finn's Vater und andere Einwohner aus Thunderstown mit, was erheblichen Einfluss auf die Zukunft von Finn (und Elsa) hat. Meine Lieblingsperson ist diesmal jedoch eine Nebenfigur, einfach weil sie mich faszinierte und ich gerne mehr über sie erfahren hätte: Dot, die kleine Nonne mit mehr als einem Geheimnis und ganz viel altem Wissen.

Thunderstown, die Donnerstadt, umgeben von vier Bergen, die ziemlich unterschiedlich und doch alle eher steinig und karg sind, ist das Lebenszentrum von gläubigen und ziemlich verängstigten Einwohner, die dem Wetter und allem, was damit zusammenhängt, nicht trauen und es deshalb verteufeln. Seltsame Kreaturen scheinen die Stadt zu bedrohen, Wassertiere, die allesamt Ausgeburten des Teufels seien. Alles weitere Beispiele für die blühende Fantasie und eindrückliche Ideensammlung des Autors, den ich dafür sehr bewundere. Es ist ein Roman, der aus der Masse sticht, durch seine Einzigartigkeit brilliert und mich begeistert über die Geschichte, aber traurig über deren Ende zurücklässt. Gerne hätte ich nochmals 300 Seiten weitergelesen. Das finale, wortwörtliche Gewitter noch einmal genossen. 

Ich schaue aus dem Fenster, beobachte die Wolken, bauschige Wattebälle, die sich träge über den Himmel ziehen. Einzelne Regentropfen des letzten Gewitters kleben noch an der Scheibe, die Luft riecht gereinigt, klar und frisch. Nach diesem Buch werde ich Wolken mit anderen Augen sehen und bei Regen innehalten und mit Freude an diese Geschichte zurückdenken. So grau und dunkel sie manchmal scheint, so ein glänzendes Highlight ist sie nun in meinem Buchregal. Absolut empfehlenswert, besondern während einem Gewitter zu lesen! Wenn mit dem echten Donner, der Herzschlag der Erzählung folgt und man im Rhythmus der Regentropfen, die ans Fenster trommeln, die Seiten umblättert und die Zeit vergisst. 

5/5 Sterne