Rezension

Eindrucksvolle Geschichte, die Fernweh weckt

Die längste Nacht - Isabel Abedi

Die längste Nacht
von Isabel Abedi

Nach dem Abi hat Vita einen Roadtrip durch ganz Europa mit ihren zwei besten Freunden Danilo und Trixie geplant, aber vor allem möchte sie nur eins: ganz weit weg. Als sie in Italien auf den kleinen Ort Viagello stoßen, erinnert sich Vita an das noch unveröffentlichte Manuskript, welches sie vor dem Aufbruch im Arbeitszimmer ihres Vaters entdeckt hat und dessen Schauplatz ebenfalls Viagello ist. Das kleine Dorf weckt in Vita lang verschollene Erinnerungen. Als sie dann auf Luca und seine Familie trifft, spürt sie ein Wiedererkennen, welches sie noch nicht einordnen kann und fühlt sich ihnen schnell verbunden. Ihre Erinnerungen führen sie zu einem Familiengeheimnis, welches seit der längsten Nacht in Viagello begraben liegt. Doch Vita ist fest entschlossen, endlich die Wahrheit zu erfahren.

Der Klappentext verrät noch nicht sonderlich viel, so dass ich mich langsam an die Geschichte herangetastet und mich schließlich komplett auf sie eingelassen habe. Zu Anfang befindet man sich noch in Deutschland zu dem Zeitpunkt, an dem Vita den Ausschnitt aus dem rätselhaften Manuskript findet. Schon während dieses kurzen Kapitels wird klar, dass Vita zu ihren Eltern nicht das beste Verhältnis hat. Nach dem Tod ihrer Schwester vor 13 Jahren haben diese - vor allem Vitas Mutter - sich sehr zurückgezogen und so ist Vita froh, bald endlich von Zuhause wegzukommen und mit ihren besten Freunden Europa zu bereisen. Anschließend gibt es einen kleinen Zeitsprung und der Leser findet sich nun am Abend von Vitas Abiball wieder. Am nächsten Morgen geht es dann los und die drei Freunde begeben sich auf ihre Reise. Die ersten Stopps werden nur kurz geschildert, aber sobald sie schließlich in Italien angekommen sind, geht die Autorin neben der Handlung auch genauer auf die Umgebung ein. Dies hat mir am besten an der Geschichte gefallen. Isabel Abedi schildert die Umgebung so lebhaft und bildlich, dass man fast das Gefühl hat, sich ebenfalls in einem kleinen malerischen Dorf irgendwo in Italien zu befinden. Die lebhafte Atmosphäre, die das Geschriebene so eindrucksvoll macht, haben in mir Fernweh geweckt und mich von magischen Nächten in Italien träumen lassen. 
Zudem wirkten auch die Charaktere durch diese Atmosphäre greifbarer und realer. Vita ist eine sehrdirekte Person, die offen spricht und sich nicht verstellt. Sie war mir auf Anhieb sympathisch und da ich als Leserin genauso ahnungslos und unwissend war wie sie, konnte ich mich gut in sie hineinversetzen. AuchLuca mochte ich gerne, auch wenn ich zu ihm nicht so eine enge Nähe wie zu Vita verspürte. Nichtsdestotrotz war auch er sehr ehrlich und direkt und ebenfalls ahnungslos, wenn auch nicht so sehr wie Vita, was das große Geheimnis betraf. Im Gegensatz zu Vita kannte er einen Teil der Wahrheit, hat sich aber mit ihr zusammengetan, um auch den Rest herauszufinden und den Lügen ein für alle Mal ein Ende zu setzen. 
Die anderen Nebencharaktere wirkten auf mich alle sehr authentisch und individuell und sie alle haben ihren Teil zu Handlung beigetragen. Alle waren auf ihre Weise in dieses Geheimnis verwickelt, doch ihre eigentlichen Rollen wurden erst zum Schluss aufgedeckt. 
Das Geheimnis an sich hat mich überrascht, da es nicht so war, wie erwartet. Das ganze Buch steuert auf dieses Geheimnis zu und auch wenn es natürlich Nebenhandlungen gab, gehörte es doch zum Haupthandlungsstrang und lässt den Leser so ständig mitgrübeln. Zwischendurch hatte ich immer wieder Ahnungen, was nun wirklich hinter der Geschichte steckt, doch diese wurden immer wieder über den Haufen geworfen, weil die Autorin Zweifel einstreut und kleine Hinweise einbaut. Diese zeigen sich vor allem in denkleinen Kapiteln, die aus der Sicht einer unbekannten Person - wahrscheinlich dem Autor des Manuskripts - verfasst sind. Diese Kapitel sind oft verwirrend, aber oft auch aufschlussreich und spannend, da sie die Geschichte von einer anderen Seite beleuchten. 
Der Schluss, der nach der Auflösung folgte, ist zwar gelungen, nur für mich leider ein bisschen zu kurzgeraten. Nachdem die Autorin sich mit der eigentlichen Geschichte so viel Zeit genommen hat, hätte ich mir gewünscht, dass auch das Ende ein bisschen mehr Einblick in die Reaktionen der einzelnen Protagonisten gibt und die Auswirkungen auf das zukünftige Verhältnis in Vitas Familie genauer beleuchtet. Dies wurde zwar erwähnt, aber leider nur am Rande und relativ kurz und knapp. Da hätte ich mir schon ein bisschen mehr Einblick gewünscht.