Rezension

Eindrücklich beklemmender Tatort

Tiefer denn die Hölle - Peter Gallert, Jörg Reiter

Tiefer denn die Hölle
von Peter Gallert Jörg Reiter

Bewertet mit 5 Sternen

Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einem Tatort gerufen, der so beklemmend und verstörend ist, dass ein Ermittler mit einer Panikattacke kämpft und Bauers Amtskollege Rüdiger Vaals, der zuerst am Tatort war, beim Anblick der Leiche einen Herzinfarkt erlitten hat. Ebenjener scheint über den Toten mehr zu wissen und stammelt im Notarztwagen, er hätte „nicht aufgepasst… [vor] fünfzehn Jahre[n]“ (S.47), er sei verdammt und erwähnt den Namen Josef Hartwig, bevor er nicht mehr ansprechbar ist. Bauer versucht, mehr über Hartwig und auch über den Toten herauszufinden und übertritt dabei (wie schon zuvor?) seinen Kompetenzbereich. Einzig Kommissarin Verena Dohr hilft ihm wiederwillig, aber bis die beiden die Zusammenhänge hinter den Morden, den Anschuldigungen und längst vergangener Verbrechen erkennen, ist es beinahe zu spät.

Gallert und Reiter schaffen mit Martin Bauer einen Ermittler, der so untypisch ist und dessen Blickpunkte auf die menschlichen Abgründe so ganz anders sind als die gewohnten, der Schuld nicht nur im rechtlichen Sinn verurteilen will, sondern auch auf christlich-moralischer Ebene agiert, ohne irgendwie belehrend zu wirken. Der Aspekt, der den Krimi so herausragend, so eindrücklich macht, ist der ungewöhnliche Tatort und die äußerst gelungene Tatortbeschreibung: Die Ermittlungen, die in die Tiefe eines ehemaligen Bergwerkstollens führen, sind sehr bedrückend geschildert, man kann die Enge, die Klaustrophobie als Leser buchstäblich fühlen. Die Beschreibungen von Orten und Personen sind sehr anschaulich, sehr eingängig, dass sofort ein Film im Kopf entsteht, ohne dass die Beschreibungen zu detailreich, zu ausführlich oder langgezogen sind. Das der Fall dann noch gut konstruiert ist und bis zum Ende spannend bleibt und die eine oder andere Überraschung oder Wendung bereithält, rundet Lesevergnügen ab. Mir haben auch die Begriffe und Erklärungen aus dem Bergbau gefallen, die auch die Mentalität der Bewohner des Ruhrgebiets einfangen.

Die beiden Hauptcharaktere sind vielschichtig gezeichnet und durch ihre persönlichen Probleme irgendwie greifbarer, ohne dass es zu ausführlich beschrieben wird. Zwar werden immer wieder Hinweise auf den vorangegangenen Band gegeben, dieser Krimi lässt sich aber auch gut lesen, wenn man den Vorgänger nicht kennt.