Rezension

Eine Ahnung von Ewigkeit

Barbarentage - William Finnegan

Barbarentage
von William Finnegan

Bewertet mit 4 Sternen

William Finnegan ist Schriftsteller und Journalist beim New Yorker, als er im Alter von 64 seine Autobiografie  “Barbarentage“  über sein Surferleben veröffentlicht. Er ist in Kalifornien und Hawai aufgewachsen und hat bereits mit 11 Jahren angefangen zu surfen. Er beschreibt ein unkonventionelles Leben voller Abenteuer und Gefahren, das von einer einzigen großen Leidenschaft dominiert wird: dem Surfen. Das Surfen ist nicht lediglich ein Sport für ihn, sondern ein „Weg“  zur Selbsterkenntnis und Erfahrung der Welt, eine Lebensform, die er niemals aufgibt, auch nicht als er in seinem Beruf Fuß gefasst und eine Familie gegründet hat. Er bereist im Laufe der Jahrzehnte die ganze Welt auf der Suche nach der perfekten Welle und beschreibt seine Surferlebnisse mit ungeheurer Detailfreudigkeit und einer Fülle von Spezialausdrücken aus dem Surfer-Argot. Ohne das Glossar am Ende des umfangreichen Buches wäre der Leser aufgeschmissen. Auch so kann ich nicht behaupten, dass ich alles verstehe. Das macht die Lektüre zuweilen etwas mühsam und zäh.
Es geht jedoch nicht ausschließlich um das Surfen. Zu jeder Erkundung eines Surfreviers in allen Teilen der Welt gehört immer ein Freund, mit dem er diese Erfahrung teilt, der aber auch bis zu einem gewissen Grad Rivale ist. William Finnegan beschreibt, wie er immer besser wird auch in der Beherrschung riesiger Wellen, bis es altersbedingt zu einem allmählichen Nachlassen seiner Kräfte und Fähigkeiten kommt. An dem Buch faszinieren mich neben den teilweise sehr poetischen Beschreibungen der Erlebnisse beim Surfen vor allem die Passagen, in denen er von seinen Selbstzweifeln und seinem Selbsthass spricht. Er sieht sehr wohl die ethische Seite des Handelns von weißen Männern, die einem komfortablen Leben mit vielfältigen Möglichkeiten zugunsten eines Sports den Rücken kehren, wo chancenlose Menschen in vielen Teilen der Welt um das nackte Überleben kämpfen und einem solchen Verhalten nur mit Unverständnis und Ablehnung begegnen können. Er selbst fragt sich immer wieder, ob er nicht sein Leben verschwendet, wenn er seiner Leidenschaft jahrzehntelang nachgibt. Er geht noch immer hohe Risiken ein, wäre viele Male fast ertrunken. 
Im Laufe der Zeit hat sein Interesse für die geopolitischen Verhältnisse in den besuchten Ländern zugenommen, und er verfasst kritische Texte, z.B. zu Südafrika zur Zeit der Apartheid. Insgesamt ist diese ungewöhnliche Autobiografie von herausragender sprachlicher Qualität und kann auch dem Laien die Faszination und Besessenheit vom Surfsport verdeutlichen, die dem Autor nie eine Wahl  gelassen haben. Perfekte Wellen vergisst er nie mehr. Sie vermitteln ihm eine Ahnung von Ewigkeit. Ein ungewöhnliches, lesenswertes Buch.