Rezension

Eine außergewöhnliche Hommage an einen außergewöhnlichen Künstler

David Bowie. 100 Seiten - Frank Kelleter

David Bowie. 100 Seiten
von Frank Kelleter

Warum dieses Buch? Der Großteil von David Bowies Musik gefällt mir seit ich zum ersten mal damit in Kontakt gekommen bin. Als Fan würde ich mich allerdings nicht unbedingt bezeichnen, dafür fehlt mir ein gewisser Ehrgeiz und die nötige Besessenheit ;) Über den Künstler Bowie war mir wenig bekannt, ich hatte nur eine recht allgemeine Vorstellung, dass er ein “Chamäleon” und irgendwie schon ziemlich verrückt war. Ebenso wusste ich wenig über den Menschen hinter den wechselnden Masken. Dass ich gerne mehr über ihn erfahren wollte wurde mir erst bewusst, als Bowie Anfang 2016 gestorben ist und ich völlig entsetzt und schockiert war, denn irgendwie hatte ich ihn wohl unter “unsterblich” abgespeichert. Und irgendwie trifft das auf den Künstler Bowie doch auch zu.

Der erste Blick

 

Schlicht aber modern gestaltet fällt das matt schwarze Cover mit der weißen Schrift (und magentafarbenen Akzenten) direkt ins Auge. Wie bei allen Büchern der 100-Seiten-Reihe von Reclam prangt der Titel in der Mitte, drum herum sammeln sich Stichwörter, die in irgendeiner Weise mit dem Inhalt zu tun haben. Das hat Stil und wirkt trotzdem frech, was mir sehr gefällt.

Der erste Blick ins Buch hinein verträgt sich mal wieder nicht mit meinen Erwartungen. Einige Bilder, eine “Timeline” und ansonsten ziemlich viel Text... Ein kurzes Reinlesen bestätigt, was ich schon geahnt habe: Dieses Buch ist keine Biografie und somit etwas ganz anderes als ich mir vorgestellt hatte.

 

Schreibstil

 

Frank Kelleter genießt das Spiel mit der Sprache, das vermutet man zumindest auf den ersten Blick. Lange, verschachtelte Sätze produziert der Autor reihenweise, gespickt mit anspruchsvollen Formulierungen und Fremdwörtern. Manchmal umschreibt er Sachverhalte ausgiebig, so dass ich mich frage, was er damit eigentlich ausdrücken will. Normalerweise nervt mich so etwas, da ich klare Formulierungen und eine einfache Sprache schätze… und das tut es zu Beginn auch bei diesem Buch. Bis ich es wage, mir Zeit zu lassen, mich darauf einzulassen und die Intention des Buchs zu hinterfragen. Es ist keine Biografie. Hier muss der Autor nicht “zum Punkt kommen”. Das 100-Seiten-Büchlein ist vielmehr eine Hommage an einen Künstler, ein “Denkmal” (wie es auch der Text auf der Buchrückseite ausdrückt), das ein großer Fan aus einer Sammlung von Gedanken und Erlebnissen geschaffen hat. Nach dieser Überlegung schaffe ich es, entspannt weiter zu lesen, mich auf den eher ungewohnten Schreibstil einzulassen und das Lesen einigermaßen zu genießen.

Übrigens wirkt der etwas pompöse Stil auf mich keinesfalls gekünstelt oder erzwungen, vielmehr habe ich den Eindruck, dass der Autor einfach sehr gut mit der deutschen Sprache umgehen kann und seine Fähigkeiten voll einsetzt. Dabei entstehen viele malerische und metaphorische Formulierungen, die zugegebenermaßen fordernd, aber auch wunderschön sind.

Viele der zitierten Songs werden (sinnvollerweise) im englischen Original wiedergegeben, hin und wieder werden Textstellen auch übersetzt. Generell sind gute Englischkenntnisse aber hilfreich.

 

Meinung

 

Da ich wie gesagt nicht viel Ahnung von David Bowie habe, kann ich es natürlich nicht “beweisen”, aber ich habe den Eindruck, dass Frank Kelleter, der nach eigener Aussage seit seinem zwölften Lebensjahr Fan des Musikers ist, sich eingehend mit der Thematik befasst hat und durchaus als Bowie-Experte gelten kann.

Sein Buch scheint vor allem an Gleichgesinnte gerichtet zu sein, denn Informationen für “Neueinsteiger” werden nur wenige vermittelt. Stattdessen wird Album für Album, Song für Song und Video für Video analysiert und interpretiert, was mich fasziniert, mich aber auch völlig erschlägt. Die meisten Songs habe ich schon mal gehört, aber die “großen Zusammenhänge” sind mir fremd. Statt wie erhofft animiert zu werden, das eine oder andere Album (noch einmal) anzuhören, überfordert mich die Informationsfülle zunächst und statt eine musikalisch untermalte Pause einzulegen, lese ich lieber weiter um zum Ende zu kommen. Im Verlauf des Buchs wird das einfacher für mich, wenn der Autor näher auf einzelne Songs eingeht und sich ausführlicher damit befasst. So finde ich dann doch Gelegenheit bekannten Titeln etwas intensiver zu lauschen und sie in einem neuen Licht zu betrachten.

Über den Star David Bowie, insbesondere sein Privatleben, erfährt man wenig und das ist überraschenderweise ein Aspekt der mir trotz gegensätzlicher Erwartung sehr gut gefällt. Die Person des Künstlers, wie auch Stationen seines Lebens finden dann Erwähnung, wenn sie relevant sind um seine Musik zu verstehen. Klatsch und Tratsch spielen keine Rolle, alles bezieht sich auf die Kunst.

Interessanterweise war das Buch offenbar schon vor Bowies Tod nahezu fertiggestellt. Umso faszinierender finde ich es, wie es auf großartige Weise das Lebenswerk des Künstlers würdigt und so als Nachruf der besonderen Art verstanden werden kann.  

Insgesamt finde ich das Buch sehr gelungen, fühle mich nur leider gar nicht der ziemlich speziellen Zielgruppe zugehörig.

Eingefleischte Bowie- Fans mit Freude an niveauvollem Lesevergnügen kommen hier sicher voll auf ihre Kosten.