Rezension

eine außergewöhnliche Idee

Das Mädchen, das Geschichten fängt - Victoria Schwab

Das Mädchen, das Geschichten fängt
von Victoria Schwab

Inhalt:
Mackenzies Bruder ist vor einem Jahr gestorben. Loslassen kann sie ihn jedoch nicht. Ihre Eltern verarbeiten den Tod ihres Sohnes sehr unterschiedlich: Ihr Vater flieht oder ist in sich gekehrt, ihre Mutter stürzt sich stets in neue Projekte, weshalb die Familie nun umgezogen ist.

Mackenzie hat ihre ganz eigene Art zu trauern. Das Erbe ihres vor vier Jahren verstorbenen Großvaters macht sie zu einer Wächterin. Verbotenerweise besucht sie oft die Chronik ihres Bruders im Archiv, sitzt vor seiner verschlossenen Schublade und erzählt ihm alles, was ihr auf dem Herzen liegt.

Doch trotz aller Trauer hat sie einen Job zu erledigen. Denn in dem alten Gebäude, in dem sie nun mit ihrer Familie wohnt, gab es viele Verstorbene, die dem Archiv eventuell entkommen können – und Macs Job ist es, sie in den Narrows einzufangen, jener Zwischenwelt, die das Archiv von unserer Welt trennt, um zu verhindern, dass sie in letztere eindringen.

Aber etwas geschieht in den Narrows: Mehr und mehr Chroniken entfliehen und Mac sieht sich mit etwas Großem konfrontiert, dessen Ausmaße sie nicht einmal erahnen kann.

Meinung:
Ich kannte schon die ein oder andere Meinung zum Original „The Archived“ und war sehr neugierig. Natürlich musste ich es sofort beginnen zu lesen, nachdem „Das Mädchen, das Geschichten fängt“ bei mir ankam.

Was bereits nach den ersten Seiten auffällt, ist der besondere Aufbau der Geschichte. Noch vor dem ersten Kapitel bekam ich eine Art Brief zu lesen, der an Mackenzies Großvater gerichtet ist. Diese Briefe ziehen sich durch die Kapitel als eine besondere Form von Rückblenden, die einen schnellen Blick auf Mackenzies Fähigkeit werfen, die sie von ihrem Großvater geerbt hat. Immer Häppchenweise, immer ein kleines Stück mehr. Der Ton der Briefe ist wie auch der Rest der Geschichte melancholisch, wird doch ständig der Tod und der Umgang mit ihm thematisiert. Um diesen dreht sich Mackenzies Leben.

Die Idee mit dem Archiv und den Narrows hat mir sehr gut gefallen und war bis ins letzte Detail (Zuständigkeiten…) sehr gut durchdacht. Kapitel für Kapitel konnte ich die Ausmaße von Mackenzies „Job“ mehr und mehr erkennen, zumindest bis zu dem Punkt, auf den ihr Großvater sie vorbereitet hat. Gemeinsam mit ihr musste ich dann erkennen, dass das Archiv noch viel mehr Geheimnisse hat.

Der Schreibstil von Victoria Schwab ist einfach gehalten und recht nüchtern, was Beschreibungen angeht. Dennoch beschwor sie ein perfektes, düsteres Bild der Narrows herauf und in wirklich jedem Kapitel schwang das bedrückende Gefühl von Trauer mit, das dem Buch eine ganz eigene Atmosphäre verleiht.

Protagonistin Mackenzie war für mich nicht direkt sympathisch. Sie ist eine absolute Einzelgängerin wie alle Wächter. Ihre Emotionen waren aufgrund der Distanz nicht immer nachfühlbar für mich, was den Lesegenuss jedoch kaum schmälerte. Umso interessanter waren die männlichen Charaktere, die sich in die Geschichte drängen, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte. Denn sie kennenzulernen, sollte jedem selbst überlassen bleiben.

Auch wenn ich die Zusammenhänge zu Beginn noch nicht annähernd begreifen konnte, zog mich die Autorin mit ihrer Jagd nach Hinweisen durch die Seiten. Spannung selbst entwickelte sich erst nach einer längeren Einführungsphase, in der ich mit dem Archiv und der ganzen „neuen Welt“ von Mackenzie vertraut gemacht worden bin. Je mehr Fährten ich folgte, desto schneller stieg die Spannung dann jedoch an und die Suche nach dem „Verräter“ und dem Hintergrund für all die damaligen Geschehnisse in ihrem neuen Wohnhaus glich einem Krimi, der mich erst mit der letzten Seite wieder losließ. Das Ende war zufriedenstellend, auch wenn es nach wie vor noch Geheimnisse rund um das Archiv gibt, die wohl niemand wissen darf.

Urteil:
Victoria Schwabs Auseinandersetzung mit dem Tod und dem, was danach geschieht, war eine gelungene Geschichte, die mit ihrer guten Idee und der stets mitschwingenden Melancholie punktet. Auch wenn die Entwicklung teilweise nur langsam voranschritt, verlor ich nie die Lust, weiterzulesen. 4 Bücher für „Das Mädchen, das Geschichten fängt“. 

Wer Lust auf eine außergewöhnliche Welt nach dem Tod hat, dabei auf mysteriöse Weise verschleierte Todesfälle aufklären will, der sollte sich Victoria Schwabs „Archiv“ unbedingt genauer ansehen.

Die Reihe:
1. Das Mädchen, das Geschichten fängt
2. Originaltitel: The Unbound
3. ?

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