Rezension

Eine berührende Geschichte

Die Rückkehr des Erben - Nicola Vollkommer

Die Rückkehr des Erben
von Nicola Vollkommer

Bewertet mit 5 Sternen

„...Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er einen anderen Menschen in sein Herz geschlossen und ihn wieder verloren. Gefühle der Trauer übermannten ihn und erschütterten sein Innerstes...“

 

Harriet und Franny sind Angestellte bei Lady Charlotte Greenwold. Momentan sind sie dabei, für Waisenkinder einen Ferienurlaub vorzubereiten. Als es an der Tür klopft und eine ärmlich gekleidete Frau nach der Lady fragt, schickt Franny sie fort.

Eduards Vater führt eine Beerdigungsfirma in London. Er ist vorwiegend für Armenbegräbnisse zuständig. Eduard muss seinen Vater zu den Toten begleiten und ihnen zur Hand gehen. Zwei Tage später bekommt Eduard mitgeteilt, dass sein Vater tödlich verunglückt ist. Er selbst landet im Waisenhaus von Mr. Creek.

Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Es gibt einen Vorgängerband. Obwohl ich ihn nicht kenne, hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen. Ab und an gibt es kurze Hinweise auf vergangene Geschehnisse.

Die beiden ersten Absätze geben die zwei Handlungsstränge wieder, mit denen das Buch beginnt. Relativ schnell werden sie für mich als Leser, allerdings nicht für die Protagonisten, zusammengeführt. Eduard ist Charlottes Halbbruder. Mr. Creek hat ihm deshalb in seinen Plänen eine besondere Rolle zugedacht.

Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Beide Seiten der damaligen englischen Gesellschaft werden detailliert beschrieben. Das betrifft zum eine das dörfliche Leben, in deren Mittelpunkt Lord und Lady Greenwold stehen, zum anderen die düsteren Armenviertel von London. Es ist bedrückend zu lesen, welche Zustände dort herrschen.

Im Waisenhaus befreundet sich Eduard mit William. Natürlich dürfen weder Mr. Creek noch die Erzieherin davon wissen, denn der Junge hat Tuberkulose und wird im Keller versteckt. Die beiden unterhalten sich weniger über ihre jetzigen Probleme. William glaubt, dass es für ihn eine Welt gibt, wo es ihm besser geht und es keine Not und Krankheit gibt. Deshalb sieht er auch seinem Tod gelassen entgegen. Eduard bleibt traurig zurück. Das bringt das obige Zitat zum Ausdruck.

Zur Handlung möchte ich nichts weiter schreiben. Die inhaltliche und stilistischen Höhepunkt sind für mich einige tiefgreifende Gespräche. Dabei geht es um Vertrauen und Mitgefühl. Lady Charlotte ist bereit, jedem, der Hilfe braucht, ihre Tür zu öffnen. Ihr Mann sieht das anders. Er weist auf Gefahren hin. Seine Ansichten überdenkt er allerdings, als er sich mit seinem Onkel Theodor unterhält. Der alte Herr zeichnet sich durch Weisheit und Menschenkenntnis aus. Franny dagegen, die sich viel auf ihr Gespür einbildet, muss erkennen, dass sie sich in zwei Fällen grandios geirrt hat. Ihre Ansichten werden eher durch Äußerlichkeiten beeinflusst. Ein geschickter Schauspieler hat mit ihr leichtes Spiel. Allerdings gefällt mir ihr trockener Humor. Für eine Bedienstete der damaligen Zeit nimmt sie sich manchmal viel heraus.

Und dann gibt es im Ort noch Mrs. Lydia Earling

Ihr Leben hat sie zu einer Frau voller Barmherzigkeit gemacht. Mit Glaubensfragen geht sie sehr offen um und stellt im Gebet auch außergewöhnliche Fragen. Folgende Worte stammen von ihr:

„...Entscheidend ist, das wir das Beste für andere Menschen geben, auch wenn unser eigenes Herz am Bluten ist...“

Die Geschichte entwickelt relativ schnell einen hohen Spannungsbogen. Hass und Habgier treffen auf Liebe und Hilfsbereitschaft. Es gilt, Entscheidungen zu fällen, die auch an die Substanz gehen können. Dabei spielen die Emotionen der Personen an vielen Stellen eine bedeutende Rolle.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen und mein Interesse am ersten Band geweckt.