Rezension

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Eine bühnenreife Tragikomödie - Dramödie oder was auch immer: Jedenfalls sehr gelungen!!!

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
von Joachim Meyerhoff

Bewertet mit 4 Sternen

"Mit zwanzig wurde ich zu meiner großen Überraschung in München auf einer Schauspielschule angenommen und zog, da ich kein Zimmer fand, bei meinen Großeltern ein. Diese beiden Welten hätten nicht unterschiedlicher sein können. Davon will ich erzählen: von meinen über alles geliebten Großeltern, gemeinsam gefangen in ihrem wunderschönen Haus, und davon, wie es ist, wenn einem gesagt wird: 'Du musst lernen, mit den Brustwarzen zu lächeln.'

Joachim Meyerhoff verbindet auf grandiose Weise Komik und Tragik miteinander. Im dritten Teil der Romanreihe "Alle Toten fliegen hoch" nimmt sein held sich und seine Umwelt immer genauer wahr und erkennt überall Risse, Sprünge, Lücken." (Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

Von der ersten Seite an entführt dieser sehr sprachvirtuos und Esprit sowie voller Situationskomik und auch tiefer Herzenswärme geschriebene Roman den Leser in die Welt voller 'Sprünge und Risse, Lücken', in der der Ich-Erzähler und Autor sich selbst immer mehr in Frage zu stellen scheint...

Der Tagesablauf der geliebten Großeltern ist skurril und urkomisch beschrieben, der Schreibstil flüssig und sehr gut zu lesen (Vorsicht: Gefahr von Lachmuskelbewegungen ;); der frühere Philosophie-Professor Hermann nebst Gattin Inge, ihres Zeichens frühere Theaterschauspielerin, genießen ihre Zeit in "vollen Zügen", als sie ihren Enkel, den die Großmutter mit großer Herzenswärme 'Lieberling' nennt, bei sich aufnehmen. Eine sehr authentische, zeitweise urkomische, tiefgründige und authentische Erzählung nimmt ihren Anfang, in der sich stark autobiografische Züge finden: Mir gefielen besonders die Beschreibungen der 'Tagesrituale' und die Beschreibungen der sehr ausgeprägten Persönlichkeiten der Großeltern; auch die Erwähnung des frühen Verlusts des 'mittleren Bruders', dessen Tod den Protagonisten 'fortan in Gedanken beschäftigen wird'; auch sind seine Gedanken an das durch Verlust und Trennung zerstörte Zuhause sehr bewusst und werden von Joachim Meyerhoff schonungslos offen und sehr ehrlich dargestellt: Dennoch genießt er die Abende mit den Großeltern, nachdem ihn der Tag psychisch zuweilen in seine sämtlichen 'Einzelteile' zerlegt hatte, als er an der Schauspielschule seine ersten Ausbildungsabschnitte (sehr skurril dargestellt) zu bewältigen hat.....

Was mir diesen Roman sehr sympathisch machte und m.E. eine große Stärke von Joachim Meyerhoff ist, dass seine 'Erzählung' echt, ehrlich, authentisch und selbstkritisch als Ich-Erzähler "die Anreihung seines Gefühlschaos beschreibt: Tagsüber Schauspielschule mit der ihr eigenen Skurrilität, abends das "Abtauchen" im Haus der Großeltern....", die in einer herrlich beschriebenen Villa im vornehmen Stadtteil Nymphenburg der Stadt München ein genießerisches Leben führen. Die große Zuneigung zu Großvater und Großmutter (Oma will sie nicht genannt werden ;) ist im gesamten Roman spürbar - und der Leser schmunzelt mit, wenn die Großmutter ihr berühmtes "Mooaahhhh...." von sich gibt und man den Eindruck hat, dass die beiden alten, recht priviligierten Menschen noch in hohem Alter ein 'savoir vivre' pflegen - und ihr Leben genießen, an dem sie ihren Enkel nur allzu gerne teilhaben lassen....

 

Fazit:

Berührend, von tragikomischer Tiefe mit sehr großer humorvoller Fabulierkunst geschriebener Roman, der tiefe, humorvolle und authentische Einblicke in das Seelenleben, die Welt des Protagonisten in der Zeit der Adoleszenz - zwischen Schauspielschule und einem behüteten Leben bei den Großeltern - gewährt!

Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung (auch der beiden Vorgänger-Romane, die ich auch noch lesen werde) und 4 Sterne am Bühnenhimmel der Literatur!