Rezension

Eine dunkle Perle im Jugendbuchgenre

Young Elites - Die Gemeinschaft der Dolche - Marie Lu

Young Elites - Die Gemeinschaft der Dolche
von Marie Lu

Bewertet mit 4 Sternen

Adelina überlebte das Blutfieber, eine Krankheit die betroffene Erwachsene tötete und Kinder mit Makeln behaftete, welche sie als „Malfettos“ kennzeichnen. Der Protagonistin fehlt seit ihrem Überleben ihr linkes Auge und ihre Haare färbten sich von schwarz zu silbern. Als Ausgestoßene der Gesellschaft und von der Regierung gering geschätzt, ist sie den Grausamkeiten ihres Vaters ausgesetzt. Dies weckt in der Protagonistin eine Dunkelheit, welche sie selbst nicht gänzlich zu begreifen scheint. In ihr ruht eine Fähigkeit, die sie neben den äußerlichen Veränderungen in Folge des Blutfiebers erlangt hat. Adelina ist eine Begabte und gewinnt die Aufmerksamkeit Ihresgleichen: Die Gemeinschaft der Dolche will die Loyalität der Protagonistin und gemeinsam mit ihr, gegen die Malfettos-verachtende Regierung vorgehen.           

Marie Lus Schreibstil lässt sich angenehm lesen. Sie besitzt ein wahres Talent dafür, mit wenigen aber ausdrucksstarken Worten den Leser in ihren Bann zu ziehen. Die Handlung setzt 1361 an. Adelinas Welt ist plastisch beschrieben und wirkt dabei doch mystisch. Die Atmosphäre wirkt in einem Spiel zwischen Zuständen des Mittelalters und von Magie. Dabei erinnerte es mich zu Beginn sehr an die Grundstimmung von Virginia Boeckers „Witch Hunter“.        
Die Protagonistin hebt sich deutlich zwischen den anderen des Jugenbuchgenres hervor. Sie ist eine aufregende Figur in der berüchtigten Grau-Zone. Demnach ist sie keine typische Heldin; man darf sie meiner Meinung nach nicht einmal als solche bezeichnen. Sie ist ein Mädchen, welches gezeichnet ist (im wahrsten Sinne des Wortes) und man weiß zunächst nicht, was in ihr schlummert. Im Verlauf des Buches erfährt man immer mehr über ihre Innenwelt, besonders auch mit Hilfe von Einblicken in ihre Vergangenheit, welche zunehmend den Ursprung ihres Charakters aufdecken. Adelina lässt jedoch keine Identifizierung zu – der Leser kann sie zwar erfassen und ihre Handlungen verstehen, aber auf ihre Art und Weise bleiben sie trotzdem abstoßend. Die Autorin hat hier wirklich eine reizvolle Situation für den Rezipienten geschaffen, die ein einfaches Fallenlassen und ein blindes Folgen der Protagonistin ausschließt. Marie Lu treibt den Zwiespalt der Figur, welcher auf dem Klappentext mit „zwischen Liebe und Dunkelheit“ beschrieben ist, zu einem Höhepunkt, welcher Lust auf den zweiten Band der Reihe macht.           
Neben der dominanten Figur von Adelina führt das Buch, auch mithilfe von kurzen Kapiteln aus anderen Perspektiven, zahlreiche Nebencharaktere ein. Viele bleiben, besonders in den Rängen der Gemeinschaft der Dolche, leider etwas farblos. Zu den herausstechenden Charakteren baut man als Leser eine Bindung auf, doch Adelinas Beziehungen zu ihnen mitsamt ihren Gefühlsregungen sind zum Teil ebenfalls blass. Ich hätte mir eine tiefere Auseinandersetzung mit ihnen gewünscht, sodass die Figuren sich nicht nur auf ein markantes Attribut beschränken. In einer Welt, in der die Protagonistin nicht auf der „guten“ Seite steht, da diese im eigentlichen Sinne auch nicht existiert, hat Marie Lu dafür die Aufmerksamkeit auf die gegnerische Seite gelenkt und zumindest diese greifbarer gestaltet, was mir sehr zugesagt hat.

Insgesamt überzeugen der Schreibstil der Autorin und das von ihr beschriebene Setting. Der Umgang mit der Protagonistin erfordert eine hohe Aufmerksamkeit und ist nicht immer leicht. Sie verkörpert jedoch eine aufregende Figur für den Leser, während viele Nebencharaktere recht substanzlos bleiben. Insgesamt vergebe ich dem Buch entsprechende 4 Sterne, mit Luft nach oben für den zweiten Band, den ich sicher lesen werde.