Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Eine einmalige Freundschaft - ein wunderbares Jugendbuch

17 Erkenntnisse über Leander Blum - Irmgard Kramer

17 Erkenntnisse über Leander Blum
von Irmgard Kramer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Jugendbuch, das begeistert, das mitreißt und neidisch macht. Ein Buch, bei dem man sich wünscht einen Freundschaft wie die von Jonas und Leander selber erleben zu können. Ein Buch, das leicht ist und doch gefühlvoll.

 

Wow. Dieses Buch hat mich so begeistert, dass ich es einfach nicht weglegen wollte.

Nachdem ich am Ende des zweiten Teils etwas verwirrt war und mich gefragt habe, in welche Richtung sich der Roman entwickeln würde, muss ich sagen, dass er mich vollauf begeistert hat. Die Leidenschaft, die Leander in seine Kunst legt, ist in so unglaublicher Weise von Kramer beschrieben worden, dass ich seine Bilder förmlich vor mir sehen konnte - den dunklen Tunnel, der Obdachlose, der Hund und all die anderen tragischen und doch schönen Szenen. Insgesamt waren die Orte, die Kramer beschrieben hat, alle so real in meinem Kopf, dass ich das Gefühl hatte, die Geschichte selber zu erleben. Die Geschichte war so lebendig, die Gefühle so wahr, so roh. Und doch war es einfach zu lesen, schön für einen Abend im Bett.

Es gab auch Dinge, die mich gestört haben. Manche Aspekte waren schön überlegt, gingen jedoch unter. Mir gefiel nicht, wie ein Junge, der anscheinend oder offensichtlich, so unglaublich von Schmerz geplagt wurde, darüber nachdenken kann, ob Lila noch mit ihrem Freund zusammen ist, wenn er doch auch denken muss, dass sie an Jonas Tod eine Mitschuld trägt. Wäre nicht ihr Geburtstag gewesen, wären die Jungs nicht dort gewesen. Und Jonas wäre vielleicht noch am Leben. Für Lila soll dies der erste Gedanke gewesen sein – sie hat das Gefühl Mitschuld zu tragen - aber Leanders „Liebe“ soll so groß gewesen sein, dass er trotzdem wissen wollte, wie es um ihre Beziehung stand? Ich weiß nicht so recht. 

Außerdem: „Liebe“? Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie die Liebe der beiden so groß gewesen sein soll, obwohl sie sich kaum kannten. Vielleicht bin ich einfach noch zu jung, oder einfach zu verbittert, oder ich habe einfach noch keine wahre Liebe gespürt, aber einige der Gesten kommen mir einfach etwas extrem vor. Ich glaube es war Leanders Liebesbekundung auf dem Prater, die mich am meisten störte. Aber ergibt es vor dem Hintergrund seines bevorstehenden Suizids wieder mehr Sinn? Vielleicht. Trotzdem. Könnte ein junger Mann seiner großen Liebe, seine Liebe gestehen, um sie dann einfach alleine zu lassen. Ohne Erklärung? Also sich einfach das Leben nehmen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Oder tut er dies in seinem Liebesbrief?  Es hat mich auch gestört, dass dieser mysteriöse Liebesbrief fast komplett ignoriert zu werden scheint. Lila scheint sich nicht dafür zu interessieren, dabei hätte er doch ein wichtiger Hinweis darauf sein können, wo sich Leander befindet. 

Das Ganze klingt nun viel zu negativ. Ich habe das Buch geliebt, wirklich. Es hat mir die Freude des Lesens wiedergegeben, die ich in den letzten Wochen vermisst hatte. Es war eine so pulsierende Geschichte, in die man direkt eingetaucht ist und nicht wieder auftauchen wollte. Jonas und Leanders Freundschaft ist das Perfekteste, das ich je gelesen habe. Und obwohl es fast schon zu perfekt erzählt wurde, habe ich jedes Wort davon geglaubt. Ich habe mir nicht gedacht „das ist doch komplett übertrieben“ oder „ja, ne ist klar“. Ich habe mich gefragt, wie es wäre selbst so eine Freundschaft zu haben und habe die beiden darum beneidet.

Auch die Familien der Hauptcharaktere haben mich fasziniert. Die gegensätzlichen Verhältnisse waren vielleicht etwas Klischee behaftet, jedoch hat mich fasziniert, wie bei allen Familien die Liebe im Vordergrund stand. Die Autorin hat es geschafft zu zeigen, dass das wichtigste, das eine Familie zusammenhält die Liebe ist und dass, selbst wenn eine Familie nicht hält oder das typische Konstrukt einer Familie nicht (mehr) existiert, die Liebe trotzdem immer da ist und den Menschen Kraft schenkt. Mir hat die Figur von Jonasˋ Vater sehr gut gefallen, wie er alles für seinen Sohn getan hätte, aber gleichzeitig seiner Liebe des Schraubens und Basteln nie widerstehen konnte. Mir hat gefallen, in wie weit die Familien immer wieder Teil der Geschichte wurden. In einigen Jugendromanen scheinen die Eltern kaum eine Rolle zu spielen, was mich häufig sehr stört, da insbesondere in diesem Alter die Interaktion mit den Eltern unglaublich viel über einen jungen Menschen aussagt.

Insgesamt würde ich sagen, dass mich der Roman wirklich begeistert hat. Er hätte meiner Meinung nach ein paar Kapitel mehr haben können, in denen Leanders Gefühlswelt nach Jonas‘ Tod genauer erklärt werden. In denen die Stunden nach dem Unfall genauer gezeigt werden. Vielleicht hätte Lilas innerer Monolog etwas häufiger ausgeführt werden können. Sie muss ja offensichtlich sehr gemischte Gefühle Leander Gegenüber gehabt haben, als dieser in ihre Klasse kam und es wäre schön gewesen, diese etwas mehr ausgeführt zu haben. Mich hat jedoch die Geschichte begeistert, da es ein neues Thema war. Man merkte beim Lesen, wie tiefgehend sich die Autorin mit dem Thema beschäftigt hat. Ja, es ist ein Jugendroman und manchmal fehlt etwas Tiefgang, aber es ist ein Roman, der den Leser begeistert, voller Freundschaft und Lieber, ein Roman den ich definitiv weiter empfehlen möchte!