Rezension

Eine fantasievolle Geschichte über die Liebe zur Literatur

Die Buchspringer
von Mechthild Gläser

Auf die Geschichte von Mechthild Gläsers „Die Buchspringer“ hat mich sowohl der Titel als auch der Klappentext neugierig gemacht. Die Idee, beim Lesen den Protagonisten zu begleiten wie er in eine Geschichte eintaucht, hat mich schon bei vielen anderen Geschichten überzeugt. So zum Beispiel in Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ oder Cornelia Funkes „Tintenherz“-Trilogie. Spannend fand ich hierbei, dass die Heldin in echte Literaturgeschichte springt und dabei Geschichten betritt, die ich selber schon gelesen habe.

Mit der Protagonistin Amy konnte ich mich überwiegend sehr gut identifizieren. Da die Geschichte hauptsächlich aus ihrer Perspektive geschrieben ist, erhält man einen guten Einblick in die Gefühlswelt und das dazugehörige Gefühlschaos eines fünfzehnjährigen Teenagers. Dass sie in ihrer Schule gehänselt wird und ihre ehemals beste Freundin hauptsächlich dafür verantwortlich ist, lässt sie am Anfang noch als verletzliche Außenseiterin wirken.

"Auch wenn es idiotisch war, da war ein schmerzender Punkt in meiner Seele, ein winziges Loch, aus dem mein Selbstvertrauen sickerte." (S. 34)

Sobald Amy jedoch auf Stormsay ist und von ihrer wahren Begabung, dem Buchspringen, erfährt, ist sie kaum wiederzuerkennen. Mutig stürzt sie sich in die Geschichten und hält sich selten an die Regeln der Lehrer, die ihr immer wieder einschärfen, nur in einer Geschichte zu bleiben.

Andere Charaktere bleiben neben Amy leider im Hintergrund. So hätte ich mir beispielsweise gewünscht, dass ihre Großmutter, als älteste noch lebende Buchspringerin ihrer Familie, Geheimnisse um die besondere Gabe der Familie preisgibt und damit eine größere Rolle innerhalb der Geschichte einnimmt. Ebenso wenig tritt Amys Mutter in Erscheinung, die als Teenager die Insel verlassen hat, um dem Buchspringer-Dasein zu entkommen. Die Gespräche und der Erfahrungsaustausch haben mir gefehlt, sodass ich es manchmal schade fand, dass Amy vollkommen unvorbereitet in die Buchwelt geschickt wird.

"Meinte er das Ganze etwa wirklich ernst? Hatten die Mitglieder meiner Familie tatsächlich diese besondere Gabe? Hatte auch ich sie, die Fähigkeit, in die Literatur zu reisen? Die Vorstellung war lächerlich, zugleich… verlockend." (S. 48)

Sehr gut gefallen hat mir allerdings das Setting der Geschichte. Stormsay ist, wie der Name schon vermuten lässt, eine verregnete und stürmische Insel, die nur wenige Bewohner hat und deswegen schon unheimlich anmutet. Dass die Buchspringer nur innerhalb eines alten Steinkreises in die Buchwelt springen können, verleiht dem Ganzen einen keltisch-mythischen Hintergrund. Die geheime Bibliothek ist natürlich mein persönlicher Lieblingsort auf der Insel. Hier findet der Unterricht zum Buchspringen statt und hier trifft Amy auch auf die beiden anderen Buchspringer, Betsy und Will.

"Diese Bibliothek war gigantisch und uralt. Sie wurde erfüllt vom Wispern der Worte, dem Locken all der Geschichten, die darauf warteten, gelesen zu werden, einem raschelnden Versprechen, das in der Luft hing." (S.20)

Daneben sind natürlich die verschiedenen Handlungsorte der Literatur, in die Amy springt, das Highlight der Geschichte: Ob Urwald, Waisenhaus oder Weltall, Amys Möglichkeiten zu reisen sind in der Buchwelt keine Grenzen gesetzt. Klasse fand ich die Idee, dass die gesamte Buchwelt und damit die gesamte Literatur wie ein riesiges Buch beschrieben werden. Amy kann innerhalb der Geschichten blättern um sich fortzubewegen und sie kann die Figuren, die gerade nicht in der Handlung ihrer Geschichte vorkommen, in der  Zwischen-“Zeile“ in einem Pub treffen.

"Diesmal blätterte er uns vor und zurück, zuerst durch eine Ansammlung von Tieren, die gerade in einem See badeten. Dann waren wir plötzlich in einem Haus, gleich darauf wieder im Freien." (S. 98)

Die Handlung von „Die Buchspringer“ habe ich als ziemlich nervenaufreibend und spannend empfunden. Als eine Buchfigur ermordet in der Realität aufgefunden wird, kann man das Buch eigentlich kaum mehr beiseitelegen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass Gläser aus der Idee ihrer Geschichte noch mehr hätte herausholen können. Ich fand, dass Amy sich zu schnell in ihre neue Rolle gefügt hat, ohne ihre neue Begabung groß zu hinterfragen. Auch wurden viele Begegnungen, Gespräche und Hintergrundinformationen nur kurz beschrieben, sodass die Geschichte oberflächlich blieb.

Fazit & Bewertung

„Die Buchspringer“ ist eine fantasievolle Geschichte über die Liebe zur Literatur. Sehr gut hat mir die Idee gefallen, die Buchwelt als ein riesige Geschichte darzustellen, in der die Figuren verschiedener Bücher sich gegenseitig über den Buchrand hinweg besuchen können und auch schon einmal in der Handlungspause ein Bierchen zusammen trinken. Weniger gut fand ich, dass die Geschichte an manchen Stellen zu knapp gehalten war und damit ausschmückende Details fehlten, die die Handlung noch spannender hätten machen können. Insgesamt kann ich die Geschichte aber allen weiterempfehlen, die gerne selber einmal eine Reise in ihre Lieblingsgeschichte unternehmen würden und Lust auf ein spannendes Abenteuer in der Welt der Literatur haben.