Rezension

Eine ganz besondere Suche - ★♡★♡★♡★♡★

Elizabeth wird vermisst - Emma Healey

Elizabeth wird vermisst
von Emma Healey

Bewertet mit 5 Sternen

★★★★★

Maude ist über 80 Jahre und das Vergessen beginnt, ihr Leben aufzufressen. Immer häufiger fehlen ihr Worte, Tage, Zusammenhänge. Und Maude merkt das. Sie kämpft dagegen an, indem sie immer Notizzettel schreibt und überall verteilt und bei sich trägt. Beim Einkauf stellt sie fest, dass ihr das nicht mehr hilft, denn sie kann mit den Worten nichts anfangen: sie weiß nicht mehr, was "Milch" oder "Eier" bedeutet. Zur "Tarnung" kauft sie Unmengen Pfirsiche in Dosen.

Daheim schimpft ihre Tochter Helen über die Einkäufe, denn auch das steht auf einem der Zettel: "Nicht einkaufen!". Da gibt es sogar Zettel: "Nichts essen!", denn Maude vergisst sogar, dass sie schon gegessen hat und isst deshalb zu viel.

Maude leidet. Besonders leidet sie, weil sie Elizabeth vermisst. Sie kann sie nicht finden, muss aber unbedingt mit ihr sprechen, denn sie ist doch ihre beste Freundin. Niemand will Maude, wie ihr scheint, denn alle sind genervt. Auch der Polizist, bei dem sie Elizabeth als vermisst melden will. Und Peter, Elizabeths Sohn, tut so, als wäre sie verrückt. Maude flüchtet sich mehr und mehr in ihre Kindheit. Da erinnert sie sich ganz klar. Schön sind die Erinnerungen nicht wirklich, denn damals ist ihre Schwester Sukey verschwunden. In den Nachkriegsjahren hat das allerdings nicht unbedingt viele interessiert, denn sehr viele Menschen sind einfach weggegangen, um anderswo ihr Glück zu finden. Doch Maude konnte und wollte das nicht glauben, Sukey musste etwas passiert sein.

Über lange Strecken kämpft der Leser mit Maudes Vergessen ähnlich stark, wie Helen und alle anderen im Umfeld von Maude. Da die Story jedoch aus Maudes Sicht geschrieben ist, leidet man auch stark mit Maude. Ihre Verlorenheit und ihre Angst, sie sind so greifbar und gehen dermaßen nahe, dass ich das Buch nicht am Stück habe lesen können, so sehr ging es mir unter die Haut. Besonders schlimm ist für mich die Vorstellung, mich könnte diese Krankheit auch einmal in ihre Fänge bekommen. Man kann sich nicht schützen, nicht wehren, nicht absichern - man ist dann ganz genau so verloren, wie Maude. Deshalb sind die Längen, die ab und an auftauchen, quasi schon ein Muss. Nur so ist der Leser wirklich authentisch mit Maudes Krankheit konfrontiert.

So ruhig und leise dieses Buch ist, das Ende ist packend, laut, schreiend und atemberaubend. Ein Show-Down, wie man ihn niemals hätte vermuten können. Alles ist anders, als gedacht, alles rückt an seinen Platz und ergibt ein stimmiges Bild. Ganz genau, wie ein Fünftausend-Teile-Puzzle: erst ist es ein heilloses Chaos, dann ein wunderschönes Bild, aber wenn man es endlich gelegt hat, ist es auch schon wieder ..... Vergangenheit!

Emma Healey schafft es, den Leser über Alzheimer und Demenz nachdenken zu lassen, sich damit auseinanderzusetzen und Betroffene zu verstehen. Leichter wird der Umgang mit der Krankheit dadurch nicht. Aber die Einstellung dazu ändert sich doch, wage ich zu behaupten. Einen besonderen Stellenwert hat dabei eine gewisse Besonderheit, die das Buch mitbringt, aber diese möchte ich nicht verraten, die muss man selbst herausfinden.

Ein Buch, das lange nachhallt. Ich empfehle es wirklich JEDEM, denn niemand kann sich sicher sein, niemals selbst betroffen zu sein. Fünf Sterne für ein Buch, das anstrengt und diese Anstengung absolut wert ist.

★★★★★ (ړײ)¸¸.•´¯`»