Rezension

Eine Geduldsprobe

Madame Bovary
von Gustave Flaubert

Bewertet mit 3 Sternen

Gustave Flaubert hat dieses Buch 1856 veröffentlicht und damit einen Skandal ausgelöst. 
Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Er geht schonungslos mit seinen Figuren zu Gericht und betrachtet auch die Gesellschaft seiner Zeit ausgesprochen kritisch. 

Ausführlich erzählt er die Geschichte von Karl und Emma Bovary und fängt damit in Karls Kindheit an. Karl ist ein echter Biedermann, aufrecht, aber ohne wirkliche Talente. Eher aus Prestigegründen beschließt er Arzt zu werden. 
Emma ist geblendet von Karls Aura als wissenschaftliche Koryphäe und verliebt sich in ihn. Aber schon nach kurzer Zeit merkt sie, dass der Mensch hinter ihrem Idealbild nur mäßig interessant ist. Sie langweilt sich, lenkt sich ab durch Bücher und luxuriösen Schnickschnack. Ihre kleine Tochter findet sie eher lästig. Schon bald begegnen ihr Männer, die ihr viel interessanter vorkommen als Karl und die ihrer Schönheit erliegen. 

Hier kommt keine Figur gut weg. Jeder hat seine Schwächen, die wirklich gründlich herausgearbeitet werden. Das führt aber nicht dazu, dass man mit irgendjemandem Mitleid empfinden würde. Die Menschen sind wie sie sind, eitel, süchtig nach Anerkennung, verschwenderisch, verblendet, heuchlerisch. 
Im „Jahrhundert der wissenschaftlichen Aufklärung“ behandelt man seine Patienten mehr, um sein ärztliches Renommee zu steigern, als ihnen wirklich helfen zu wollen. Und eine Frau, die alles hat, rennt in ihr Unglück, weil sie die gesellschaftlich anerkannten Ideale nicht mit ihren eigenen Wünschen vereinbaren kann. 

Das ist alles sehr interessant und wunderbar erzählt. Flauberts Erzählstil ist süffisant und längst nicht so altertümlich, wie ich erwartet habe. Es mag auch sein, dass es weniger altertümlich wirkt, wenn man es vorgelesen bekommt. Die Sprecherin des Hörbuchs liest sehr schön.
Trotzdem ist das Buch einfach viel zu lang und zu ausführlich. Man denkt schon längst, ich habe es verstanden, da ringt Emma noch immer mit sich und der Welt. Und auch wenn ihre Motive gut analysiert werden, fragt man sich schon, warum sie sich das Leben so schwer macht und nicht irgendwann mal Vernunft walten lässt. Das ist unromantisch, klar.
Die vielen Nebenschauplätze sind nett, halten aber die Handlung auf. 

„Madame Bovary“ ist ein Klassiker und war zu seiner Zeit Zündstoff. Aus heutiger Sicht ist es ein spannendes Zeitzeugnis, das durch seine Entstehungsgeschichte noch einmal interessanter wird. 
Das Buch selbst hat deutliche Längen, was das Lesevergnügen dann doch etwas ausbremst. Schüler, die dieses Buch als Lektüre bekommen, tun mir ein wenig leid. Wer es freiwillig liest, braucht Geduld. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 31. August 2017 um 16:34

Bei all den alten Schinken braucht man eine Art Geduld, die in der schnelllebigen Zeit kaum mehr vorhanden scheint - man wird aber auch belohnt fürs Geduldhaben, in aller Regel. Ist das nicht ne Oper?

Sursulapitschi kommentierte am 31. August 2017 um 16:39

Wenn das ne Oper ist, kenne ich sie nicht. 

Und Geduld, ja, natürlich lohnt es sich manchmal, sich durch etwas durchzubeißen. Aber das hier ist schon arg viel Kümmernis und Herzeleid aus purer Langeweile. Es wäre mir leichter gefallen, wenn ich diese Frau irgendwie hätte verstehen können.

wandagreen kommentierte am 31. August 2017 um 19:09

Oh jaa! Ich meinte das mehr generell auf die alten Schinken der Weltliteratur bezogen, hier hast du das ja schon ganz prima beschrieben, um was es sich handelt.

Madame Bovary is an opera by Emmanuel Bondeville premiered at the Opéra-Comique on 1 June 1951 in a production by Louis Musy, conducted by Albert Wolff, with Jacqueline Brumaire in the title role. The opera is based upon the novel Madame Bovary by Gustav Flaubert.(wikki).