Rezension

Eine geheimnisvolle Nacht - skurril, aber gut

Die Nacht von Shyness - Leanne Hall

Die Nacht von Shyness
von Leanne Hall

Bewertet mit 5 Sternen

Mit "Die Nacht von Shyness" beginnt die australische Autorin Leanne Hall eine Trilogie über einen Stadtteil, in dem die Sonne niemals scheint. Der Roman besticht schon äußerlich mit seinem im Dunklen leuchtenden Cover, aber vor allem auch inhaltlich mit seiner Andersartigkeit...

Inhalt: In einer Bar trifft ein gutaussehender Junge auf ein aufgeschlossenes Mädchen mit großem Mundwerk. Sie stellen sich einander mit Wolfboy und Wildgirl vor und er nimmt sie mit in den Stadtteil Shyness, einem Ort, an dem die Sonne niemals scheint. Dort verbringen sie die Nacht und treffen auf zuckersüchtige Jugendbanden, Hehler, Wahrsagerinnen und besuchen düstere Clubs. Aus einer Nacht wird das Abendteuer ihres Lebens...

"Die Nacht von Shyness" birgt eine außergewöhnliche Geschichte, die sich durch ihre Skurrilität deutlich von anderen Jugendbüchern abhebt. Nichts wird in Frage gestellt. In Shyness, einem fast verwaisten Stadtteil, geht seit Jahren die Sonne nicht auf? Wolfboy hat eine überdurchschnittlich starke Körperbehaarung und heult wie ein Wolf? Dann ist das eben so. Wildgirl lässt sich ohne zu zögern auf diese unwirkliche Welt ein und entdeckt an Wolfboy und auch an sich selbst in nur einer Nacht sehr viel neues.

Das Abendteuer, das sie gemeinsam erleben, ist voller Rätsel und Geheimnisse, und viele davon bleiben ungelöst. Mir hat dieser offene Stil bei diesem Buch sehr gut gefallen, da es einen Großteil der geheimnisvollen Atmophäre Shyness' ausmacht, eben nicht alles zu wissen. Auch Wolfboy und Wildgirl pflegen ihre Geheimnisse. Richtige Namen sind überflüssig, sie geben sich für diese eine Nacht dem Zauber des Unbekannten hin und vergessen ihre Probleme im wirklichen Leben - davon haben die beiden nämlich jeweils mehr als genug, wie sich nach und nach herausstellt.
Wer allzu offene Geschichten nicht mag, wird bei der Fülle an Rätseln und verrückten Gestalten, aber besonders an dem meiner Meinung nach sehr gelungenen Ende dieses Buches vielleicht keine große Freude habe.

Vor allem gefallen hat mir, dass dieses Buch nicht zu sehr auf Fantasy oder actionreiche Spannung setzt, sondern einen etwas nachdenklicheren Ton anschlägt. Die beiden Protagonisten wissen wenig von einander, aber dennoch helfen sie sich gegenseitig ihr eigenes Leben in einem neuen Licht zu sehen und sich mit Problemen auseinanderzusetzen, denen sie sonst aus dem Weg gehen würden. Eine Frage steht natürlich im Mittelpunkt: Können die Erlebnisse einer solchen, so unwirklichen Nacht auch noch bestehen, wenn zumindest außerhalb von Shyness die Sonne wieder aufgeht? Wie die Autorin das Ende löst, hat mir dann außergewöhnlich gut gefallen.

In Anbetracht dessen, dass es sich bei "Die Nacht von Shyness" um ein Jugendbuch handelt, fand ich den Schreibstil schon fast herausragend, auf jedenfalls aber unterwartet, gut. Die beiden Protagonisten Wildgirl und Wolfboy treten als Ich-Erzähler auf und auch wenn ich mir am jeweiligen Kapitelanfang manchmal eine kleine Vorwarnung gewünscht hätte, zum Beispiel in Form einer Überschrift, die mir sagt, wer der beiden gerade erzählt, konnte ich der Handlung ohne größere Verwirrungen gut folgen. Die Autorin schafft es mit ihrer Sprache, die jugendlichen Charaktere gelungen dazustellen, dem immer in Dunkelheit liegenden Shyness eine skurrile Atmosphäre zu verpassen und auch die Beziehung zwischen Wolfboy und Wildgirl sehr gefühlvoll zu beschreiben. Die beiden sind wirklich ein schönes Paar, ganz ohne den üblichen Kitsch.

Fazit: Sehr skurril, spannend, mit glaubhaften Gefühlen und vielen Geheimnissen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, finde "Die Nacht von Shyness" aber auch als Einzelband lesenswert. 5 Sterne