Rezension

Eine Geschichte, die mich nicht erreichen konnte

Bis an die Grenze - Dave Eggers

Bis an die Grenze
von Dave Eggers

Bewertet mit 2 Sternen

Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte, als ich diese Geschichte unbedingt lesen wollte. In meiner Vorstellung jedenfalls sollte sich ein (Flucht)Abenteuer entfalten, an dem ich passiv teilnehmen würde und das mich hochkomisch, wie angepriesen, unterhalten und berühren würde.
Doch an diesem Roman ist absolut NICHTS hochkomisch, nicht einmal ein bisschen komisch! 

Im Focus steht Josie, alleinerziehende Mutter, arbeitslose Frau ohne familiären Halt und ohne Selbstvertrauen. In ihr manifestiert sich eine riesige Angst, dass Carl, ihr Ex-Lebensgefährte und Vater ihrer Kinder, der nach so vielen Jahren Abstinenz im Leben der Kinder, jetzt, durch seine neue Beziehung und dem Wunsch zu heiraten, wieder in das Leben der Kinder treten will und ihr damit die Kinder wegnehmen könnte. Paul und Ana sollen Zeit mit ihm und bei ihm verbringen und seine Verlobte kennenlernen. Das will Josie auf keinen Fall und flieht Hals über Kopf! Da sie keine Arbeit mehr hat, ist es leicht alle Zelte abzubrechen und mir nichts dir nichts, so weit wie möglich mit den Kindern zu fliehen und unterzutauchen. 

Josie ist keine Sympathieträgerin. Grundsätzlich muss sie das auch nicht sein, damit eine Story als gut und glaubwürdig angesehen werden kann. Doch ohne einen sympathischen Protagonisten muss die Geschichte und der Schreibstil umso besser sein, damit ich als Leser "am Ball bleiben" möchte. Und genau hier trennten sich mein Wunsch / meine Erwartung an das Buch und die Ausführung des Autors. 
Dave Eggers konnte mir Josies Handeln kaum näher bringen. Ich konnte weder nachvollziehen, warum sie mit Carl eine Beziehung eingegangen war noch warum sie sich mit ihm Kinder gewünscht hat. Auch wenn wir nur Josies Sicht der Dinge erfahren, zeigt mir diese nicht deutlich, warum sich in Josie diese immense Angst vor Carl und dem Verlust ihrer Kinder an ihn gebildet hat. 

Paul und Ana sind keine durchschnittlichen Kinder. Aber auch diese rührten kaum an meinem Herz und meinen Gefühlen für sie. Letztendlich schwappte ein kleiner, kaum erwähnenswerter Funke für Paul auf mich über. Er ist ein Kind, das eher eine echte Stütze für seine Mutter sein muss, denn ohne die Hilfe von Paul, auch im Umgang mit Ana, wäre Josies Alltag und Familienleben noch zerrütteter als sowieso schon. 

Josies Vergangenheit und Kindheit war für mich der einzig interessante Punkt der Geschichte. Hier hätte ich mir einen intensieveren und ausführlicheren Handlungsstrang gewünscht. Josies Kampf mit den "imaginären und realen Geistern ihrer Vergangenheit" waren mir im Einzelnen zu verdreht (für alle, die das Buch gelesen haben, Stichwort: Musical).

Der Roadtrip nach und durch Alaska, Josies Flucht vor ihrem Leben, ihren Ängsten und Sorgen und auch ein stückweit vor sich selbst, auf der sie nicht nur sich an ihre Grenzen bringt, sondern auch die Kinder, konnte mich leider nicht erreichen. Josie überschreitet vielfach eine rote Linie als Mutter und wird ihrer Verantwortung Paul und Ana gegenüber nicht gerecht. 

Dabei konnte ich mir meine Frage, was genau Dave Eggers mit diesem Buch ausdrücken wollte, nicht beantworten. Falls es eine Kritik an der Gesellschaft gegenüber alleinerziehenden Müttern ist, die viel zu oft von Partnern, Vätern, Schulen, Nachbarn, Mitmenschen, Behörden und dem Staat alleingelassen und angeprangert werden und die sich für ihre Kinder und ein einigermaßen gutes Leben zerreißen müssen, dann konnte ich dies dem Inhalt des Buches nicht entnehmen. 
Aufgezeigt bekommen habe ich eine schwache Frau, die nie für sich einstand, nie ihre Wünsche entsprechend artikuliert und sich zu keiner Zeit entsprechende Hilfe geholt hat. Eine Frau, die kopflos die Flucht ergreift, keine Zukunft vor Augen hat und sich und die Kinder in Lebensgefahr bringt. 

Zuletzt konnte mich leider auch der Schreibstil des Autors nicht für sich einnehmen. Hin und wieder wurde zwar subtile Spannung aufgebaut, ich erwartete ein imposantes Geschehen, das aber nicht eintraf und alles verpuffte. Am Ende blieb eine ganz große Enttäuschung.

Fazit:
Ein Klappentext, der mich absolut überzeugte und große Neugier weckte, die das Buch im Endeffekt leider nicht erfüllen konnte.

Kommentare

Sursulapitschi kommentierte am 04. Mai 2017 um 16:05

Das klingt richtig übel. Oh je...

monerl kommentierte am 04. Mai 2017 um 16:21

Hmmmm - Ich hatte noch überlegt, ob ich dir sagen soll, dass du die Rezi zum Buch nicht liest, bevor du mit dem Buch durch bist. Vielleicht empfindest du es ja ganz anders! Die Chancen stehen nämlich ziemlich hoch, wenn man den allgemeinen Lesegeschmack zum Buch betrachtet...

Sursulapitschi kommentierte am 04. Mai 2017 um 16:25

Ich lese es so oder so. Macht nix. Aber wenn es mich auf S.100 nervt, breche ich direkt ab, weil du es ja gleich gesagt hast. :D

monerl kommentierte am 04. Mai 2017 um 16:29

Sehr, sehr oft überschneidet sich unser Lesegeschmack, deshalb schaue ich auch immer gerne bei dir und hole mir auch oft die von dir empfohlenen Bücher. Ich bin jetzt echt mega gespannt auf deine Meinung! Ich versuche es wirklich heute an dich zu verschicken und harre der Dinge. :-)

Sursulapitschi kommentierte am 04. Mai 2017 um 16:45

Eilt nicht. Ein-zwei Bücher hab ich noch. :-)