Rezension

Eine Geschichte mit viel Diskussionspotenzial und einer tollen Sprecherin

Infernale - Sophie Jordan

Infernale
von Sophie Jordan

Bewertet mit 5 Sternen

Auf den letzten Metern des Monats Mai habe ich den ersten Band diese wunderbaren dystopischen Reihe beendet. Die Geschichte hat mich gefesselt und bringt zudem einiges an Diskussionsstoff mit. Aber beginnen wir wie immer von vorne... 

 

Gestaltung 

Gelesen wird die Dystopie von Friederike Walke. Die Sprecherin konnte sich nicht nur in verschiedene Charaktere hineinversetzen, sondern hat die bedrückende Stimmung von Infernale in mein Zimmer gebracht. Ich hab es kaum ausgehalten, zu hören, welche Ungerechtigkeit der Protagonistin Davy widerfährt. 

Von ihrer Art zu lesen, hat mich Friederike Walke sehr an Maria Koschny erinnert. Als ich mein erstes Hörbuch von Maria Koschny gehört habe, überkam mich eine ähnliche Stimmung. Charaktere gefangen in einer ausweglosen und ungerechten Situation. Diese Stimmung in Worte zu fassen und die richtige Betonung zu finden, schaffen nicht viele Sprecher. FRiederike Walke und Maria Koschny hingegen bringen ganz viel Potential mit. 

 

Inhalt 

Davy, ein ganz normales Mädchen, wird positiv auf das HTS Gen, das Mördergen, getestet. Ihre Welt bricht zusammen. Freunde wenden sich von ihr ab, ihre Familie ist hilflos. Ihre Zukunft? Dahin! Sie muss die Schule wechseln und wird ab sofort isoliert von normalen Schülern gemeinsam mit anderen Trägern unterrichtet. Doch viel Zeit sich an die neue Situation zu gewöhnen bleibt nicht... 

 

Der Plot von Infernale ist einfach gehalten. Dennoch hat er mich sehr bewegt, weil das Prinzip auf viele Geschichten angewendet werden kann. Was passiert, wenn eine Gesellschaft Menschen aussortiert und sie in eine Randgruppe steckt? Welche Auswirkungen hat das? Der Inhalt ist aktueller denn je. 

 

Infernale hat mich an die Judenverfolgung erinnert. In Infernale werden normale Menschen nur aufgrund eines positiven Gentests in eine Schublade gesteckt und als gewalttätig und potentielle Mörder abgestempelt. Egal, ob sie überhaupt gewaltbereit sind. Ihr gesamtes Verhalten wird von der Gesellschaft in eine negative Richtung gedeutet.

Darüber wie Juden während des zweiten Weltkriegs behandelt wurden, muss ich ja nicht mehr viel erzählen. Da habt ihr - hoffentlich - im Geschichtsunterricht schon viel darüber gehört. Während die HTS-Träger in Infernale nur ausgegrenzt, beleidigt und in Lager abgeschoben wurden, sind Juden im "echten" LEben ermordet worden. Und ich hatte den Eindruck, dass es auch bei Infernale nicht mehr weit davon entfernt ist, bis die ersten HTS-Träger sterben. Die Stimmung war aufgeheizt. Und das war mehr als deutlich spürbar.

 

Während Davy noch zu Beginn der Geschichte argumentiert, dass sie sich trotz den Gens nicht geändert hat, muss sie sehr schnell feststellen, dass es ihr Umfeld nicht großartig interessiert. Sie wollen sie nicht mehr dabei haben. Argumente hin oder her. Und so bleiben ihr nur noch die anderen Träger. Menschen, die ebenfalls positiv getestet wurden und sich ihr Schicksal nicht aussuchen konnten. 

 

Spannung 

Sophie Jordan spinnt das Netz aus Handlungssträngen gekonnt. Während sich Davy zu Beginn der Geschichte noch mit dem Verlust ihres "alten" Lebens auseinandersetzen muss, taucht sie Stück für Stück in den Träger Alltag ein. Sophie Jordan lässt uns schonungslos daran teilhaben, was die Gesellschaft von Trägern hält und wie sie gedenkt, diese zu behandeln. Als es dann zum Höhepunkt der Geschichte kommt, befürchtete ich schon, dass ein Cliffhänger auf mich wartet. Glücklicherweise wird die Situation aufgelöst. Dennoch bleibt genug Spannung für den zweiten Band zurück. 

 

Schreibstil 

Sophie Jordan hat einen fesselnden Schreibstil. Sie schreibt die Geschichte aus der Sicht von Ich-Erzählerin Davy, die ihre Welt sehr reflektiert betrachtet und Situationen schnell erfassen kann. Gerade das sorgt beim Leser dafür, dass wir hautnah an ihrem Leben teilhaben. 

Außerdem gibt es in Infernale tolle Dialoge, welche die Stimmung der Dystopie treffend untermalen. 

 

Gesamteindruck 

Infernale hat mich positiv überrascht. Der ein oder andere angedeutete Handlungsstrang war für mich zwar vorhersehbar, dennoch konnte ich mich kaum von der Geschichte trennen. Teilweise saß ich fassungslos vor meinem Hörbuch und fragte mich, was passieren muss, damit Menschen einem Gentest mehr Bedeutung schenken, als der Person, die ihnen gegenübersitzt. Fassungslosigkeit ging in Sprachlosigkeit über. Ich litt hier und da mit Davy und den anderen Trägern und fragte mich zunehmend, wie sie dieser Welt nur entkommen konnten. 

 

Während der zweite Band von Infernale bereits in Buchform erschienen ist, gibt es leider die traurige Nachricht, das vorerst kein Hörbuch geplant ist, was ich persönlich sehr schade finde. Die Produktion ist definitiv eins a und ich hoffe, dass Infernale viele Hörer begeistern wird.