Rezension

Eine großartige Geschichte

Young Elites - Die Gemeinschaft der Dolche - Marie Lu

Young Elites - Die Gemeinschaft der Dolche
von Marie Lu

„Morgen früh werde ich sterben.“

Ich liebe Bücher, die mit dem ersten Satz einschlagen, wie eine Bombe! In vielen Geschichten, hätte ich eben so einen Satz erwartet, aber nicht von Marie Lu. Ihre „Legend“ - Reihe hat mich nicht vollends begeistern und überzeugen können, wie – scheinbar -  den Rest der Leserwelt. Neugierig war ich trotzdem auf ihr neuestes Werk „Young Elites – Die Gemeinschaft der Dolche“ und rückblickend bin ich sehr froh, dass mich der angepriesene Vergleich: „X-Men meets Die rote Königin“, mich nicht abschrecken konnte, denn ich kann weder mit „X-Men“ etwas anfangen, noch mit „Die rote Königin“. Aber nach diesem ersten Satz wusste ich, dass es mir mit dieser Geschichte anders ergehen wird, als mit „Legend“.

Marie Lu hat, für ihr neuestes Werk, ein historisch angehauchtes Setting mit gewaltigen Kulissen, die an das Venedig der Renaissance erinnern, erschaffen. Und die Thematik bietet viel Potenzial, um eine gesamte Buchreihe damit zu füllen, ohne den Leser mit überflüssigen Folgebänden zu quälen:

Nachdem ein schreckliches und mysteriöses Blutfieber das Land überfiel und seine Bewohner fest im Würgegriff hielt, starben viele Menschen. Die, die nicht an den Folgen des Fiebers starben, waren gezeichnet und verstoßen von den Gesunden für den Rest ihres Lebens. Genau wie Adelina, die durch diese Krankheit ein Auge einbüßte und deren wunderschöne schwarze Haare sich über Nacht silbern färbten. Auch wenn das Blutfieber ihr eine hoffnungsvolle und strahlende Zukunft verbaute, verlieh sie ihr auch übernatürliche Kräfte. Schon bald erfährt Adelina, dass sie nicht die Einzige ist, denn es wird immer wieder von Begabten gesprochen, die mit ihren unerklärlichen Kräften imstande sind, den verhassten König zu stürzen.

Die Geschichte lebt von ihrer überaus interessanten und facettenreichen literarischen Hauptfigur Adelina. Sie ist weder das süße noch das naive Mädchen, das von einer Katastrophe in die nächste stolpert, obwohl sie wahrlich nicht fehlerfrei ist. Sie ist eben nicht die klassische klischeehafte Protagonistin - allein schon durch ihr Äußeres -, wie man sie in jedem beliebigen Jugendbuch finden kann, sondern eine sehr komplexe Antiheldin. Wankelmütig und hin- und hergerissen zwischen der Dunkelheit, die ihre besondere Gabe entfacht und beherrscht und ihrer Liebe. Adelinas Persönlichkeit besteht nicht daraus, in der gesamten Geschichte nur einem Jungen hinterherzuschmachten, oder Everybody`s Darling zu sein. Viele scheinen sich an ihrer Persönlichkeit zu stören oder haben Angst vor ihr. Was für mich jedoch am wichtigsten ist: sie ist absolut glaubwürdig, weil sie nicht vormacht, dass alle um sie herum ihr nur Gutes wollen. Sie verlässt sich mit ihren Entscheidungen nur selten auf andere und spürt genau, welche dunkle Macht in ihr schlummert, die sie zu überwältigen droht.

In „Young Elites – Die Gemeinschaft der Dolche“ überzeugte mich Marie Lu nicht nur mit einer außergewöhnlich unterhaltsamen literarischen Hauptfigur, sondern auch mit einem sehr bildgewaltigen und ausdrucksstarken Schreibstil. Neben Adelina berichten in ein paar kleineren Passagen auch andere Charaktere aus ihrer Sichtweise, was sie dem Leser noch greifbarer machen. Marie Lus Tempo, mit dem sie ihre Leser durch ihre gewaltigen Kulissen und die vielschichtige Handlung treibt, flacht nur sehr selten ab – genau zur richtigen Zeit, um bestimmte Ereignisse auf die Leserschaft wirken zu lassen. Einen Kritikpunkt gab es für mich, denn für meinen Geschmack kamen viele Nebencharaktere in der Beschreibung ihrer Persönlichkeit etwas zu kurz. Sie blieben blass und viele ihrer Fähigkeiten für den Leser unentdeckt. Darauf könnte die Autorin im Folgeband aufbauen.

Kurzum: „Young Elites – Die Gemeinschaft der Dolche“ von Marie Lu ist eine großartige Geschichte, die mich vor allem durch ihre komplexe Hauptprotagonistin bestens unterhalten hat.
 

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